2002 wurde Journalist Daniel Pearl in Pakistan entführt und hingerichtet. A Mighty Heart zeigt quälende Tage des Hoffens und Bangens.
2002 wurde Journalist Daniel Pearl in Pakistan entführt und hingerichtet. A Mighty Heart zeigt quälende Tage des Hoffens und Bangens.
Der Film – hierzulande unter dem Titel Ein mutiger Weg vermarktet – beruht auf den Memoiren seiner Frau Mariane Pearl A Mighty Heart: The Brave Life and Death of My Husband Daniel Pearl.
Mariane (Angelina Jolie) und Daniel Pearl (Dan Futterman) gehörten zur Phalanx der Journalist*innen, die nach den Terroranschlägen vom 11. September nach Afghanistan kamen, um über US-Intervention gegen die Taliban zu berichten. Inzwischen sind sie Versprengte in der Region. Weil die Terrorbande im Winter 2001 bereits als gestürzt gilt (und der amerikanische Blick gen Irak ging, siehe auch Whiskey Tango Foxtrot), ist das Gros der Berichterstatter*innen längst wieder abgezogen. Die Pearls sind noch da. Schließlich gibt es genügend Themen, die journalistische Aufarbeitung verdienen. Al-Qaida und ihre Verflechtungen etwa. Die Rekrutierungsstrukturen der Dschihadisten. Und nicht zuletzt die durch den Krieg verschärfte Not der Menschen vor Ort.
A Mighty Heart ist die Rekonstruktion eines Matyriums
Doch nun bereitet auch das Paar seinen Abflug vor. Die vergangenen Wochen verbrachten die beiden bei einer befreundeten Journalistin in der pakistanischen Millionenmetropole Karatschi. Mariane ist im fünften Monat schwanger und will sich in ihrer Heimat Frankreich auf die Geburt ihres Sohnes vorbereiten. Am Tag vor der Abreise bricht Daniel zu einer letzten Recherche auf. Der Korrespondent des Wall Street Journals fährt zu einem über Mittelsmänner arrangierten Treffen mit einem lokalen Extremistenführer, der im Verdacht steht, Verbindungen zur Al-Qaida zu pflegen. Das Interview soll an einem belebten Ort stattfinden, kurz vorher telefoniert Daniel noch einmal mit Mariane. Dann verliert sich seine Spur. Die Journalistin ahnt, dass ihrem Mann etwas zugestoßen sein muss.
Der Spielfilm A Mighty Heart rekonstruiert die bangen Tage und Wochen zu Beginn des Jahres 2002. Pakistanische Behörden nehmen die Ermittlungen auf, während Mariane mithilfe von Daniels angereisten Kollegen eigene Nachforschungen anstellt und gleichzeitig versucht, die Fassung zu wahren. Nach wenigen Tagen bereits melden sich Entführer und drohen, Daniel zu ermorden, sollten die USA ihren Forderungen nicht nachkommen. Mariane muss mit ansehen, wie das Schicksal ihres Mannes zum Spielball geopolitischer wie religiöser Interessen gerät. Der wird wahlweise zu einem Agenten der CIA, des Mossad oder des indischen Geheimdienstes erklärt. Alles Propaganda. Und doch stürzen sich die internationalen Medien auf diese Verlautbarungen. Was Mariane derweil wirklich Sorgen bereitet: Daniel Pearl ist Jude. Sollten seine Entführer davon erfahren, wäre sein Todesurteil besiegelt.
Angelina Jolie spielt die Journalistin Mariane Pearl
Regisseur Michael Winterbottom (Welcome to Sarajevo) inszeniert die Geschichte rund um den entführten Journalisten im semi-dokumentarischen Stil. Die Handkamera klebt förmlich an den Figuren, kleinteilig hangelt sich der Film von Entwicklung zu Entwicklung. Die Ermittlungen verästeln sich, Zeugen werden vorgeladen, Verdächtige befragt. Jedem Durchbruch folgt ein Rückschlag. Bis der letzte Funke Hoffnung erlischt. Ein Video bringt traurige Gewissheit: Daniel Pearl wurde von seinen Geiselnehmern enthauptet. Aufgebrochen wird diese Spirale durch Rückblenden, die den mutmaßlichen Hergang von Daniels Recherchen zeigen und zeitgleich das Band zwischen ihm und seiner Mariane stärken. Darüber, wie es ihm während seiner Gefangennahmen ergeht, erfahren wir nichts, der Film gibt sich diesbezüglich keinen Spekulationen hin. Emotionaler Ankerpunkt ist und bleibt Protagonistin Mariane, die in diesen Tagen ein Martyrium durchleidet.
Angelina Jolie porträtiert die Journalistin als Kämpferin, die bis zum Schluss Stärke demonstriert, obwohl sie vom Schlimmsten ausgehen muss. Eine Rolle, die Fingerspitzengefühl von ihr verlangt. Primär nicht einmal, weil sie als weiße Frau eine Halbkubanerin spielt. Tatsächlich wurde ihre Besetzung aus diesem Grund kritisiert. Mariane Pearl selbst nahm der Diskussion den Wind aus den Segeln, indem sie Jolies Vorbildfunktion würdigte. Obendrein käme es in dieser Geschichte nicht auf die Hautfarbe an, ließ die Autorin wissen. Die Gefahr liegt woanders: Für einen Film dieses Formats scheint die Schauspielerin eine Nummer zu groß. Doch Angelina Jolie spielt die Rolle mit einer gebotenen, zurückhaltenden Intensität und auch Regisseur Michael Winterbottom bemüht sich um inszenatorische Balance.
Eine pakistanische Millionenstadt als Co-Star
Insgesamt funktioniert A Mighty Heart als Hybrid zwischen Ermittlungsthriller und Drama ordentlich. Wenngleich es zum Ende hin schwierig wird, im Netz der Verdächtigen den Überblick zu behalten. Leider nutzt sich auch die Spannung unter dem Eindruck des Unabwendbaren ab. Doch gerade zu Beginn entfaltet der Film eine Sogwirkung, die besonders vom Schauplatz der Handlung ausgeht. Zwar wurden weite Teile von A Mighty Heart aus Sicherheitsgründen in Indien gedreht. Eine Filmproduktion in Pakistan mit einem Hollywood-Star im Schlepptau schien den Verantwortlichen keine gute Idee zu sein. Ein kleines Team reiste jedoch vorab, noch bevor der Film offiziell angekündigt wurde, mit Daniel Pearl-Darsteller Dan Futterman ins Land. So kommt es, dass wir in vielen Szenen das echte Karatschi erleben dürfen.
Erleben ist der passende Begriff. Der Film verschleppt uns geradezu in das Gewirr dieser Mega-City. Benzingeruch liegt in der Luft, Smog und Straßenstaub vernebeln die Sicht, Atmen fällt förmlich schwer. Schnelle Schnitte unterstreichen den immensen Trubel auf den Straßen. A Might Heart ist wie ein auf Zelluloid gebannter Kulturschock. In diesem Setting sticht Daniel als Ausländer hervor und geht doch unter. Dass Menschen in diesem überlaufenen, notorisch verstopften Labyrinth spurlos verloren gehen, scheint unter dem Eindruck dieser Bilderflut nicht nur plausibel, sondern völlig normal.
Andersartigkeit ist nur eine Frage der Perspektive
Gleichwohl ist das Bild, das A Mighty Heart von der Stadt zeichnet, nicht per se bedrohlich. Michael Winterbottom hätte es sich leicht machen und an den Ruf anknüpfen können, der Karatschi vorauseilt. Das einstige Backpackerparadies galt vor nicht allzu langer Zeit als gefährlichste Stadt der Welt, mit Dutzenden Mordopfern am Tag. Das in A Might Heart porträtierte Karatschi ist mächtig, laut, irgendwie wahnsinnig. Aber kein kriminelles Moloch. Sondern eine lebendige Stadt, mit Menschen, die einem Tagewerk nachgehen. In Michael Winterbottoms Bildern schwingt eine Faszination für Land und Leute mit. Ja, vieles in Pakistan ist anders. Aber nur, weil wir es nicht anders kennen. In einer frühen Szene fällt der Satz: „Was wissen amerikanische Journalisten schon von Pakistan?“
Unbestritten hingegen ist: Der Mord an Daniel Pearl ist ein Verbrechen. Doch auch mit plakativen Schuldzuweisungen hält sich der Film zurück. Dafür ist die Thematik zu komplex. Vor allem kämen sie Mariane Pearl nicht in den Sinn. Der Schmerz über ihren Verlust mag noch so groß sein: Sie lässt nicht zu, dass der Hass die Deutungshoheit in ihrem Herzen übernimmt. Obwohl ihr in Karatschi der wichtigste Mensch auf Erden geraubt wurde, verabschiedet sie sich versöhnlich, mit einem Abendessen kurz vor ihrer endgültigen Abreise. Es ist ein Dankeschön an die multikulturelle Runde, die ihr in schweren Tagen zur Seite stand. Mit ihr am Tisch sitzen unter anderem Amerikaner, Pakistanis, eine Inderin. Der Terror hat sie zusammenrücken lassen.
David Pearl: Ein persönliches Schicksal, aber kein Einzelfall
Zwar ist die Politik in A Mighty Heart allgegenwärtig, die Botschaft des Films allerdings ist ein angenehm entpolitisierter Appell ans Weitermachen – in menschlicher wie journalistischer Hinsicht. Die echte Mariane Pearl arbeitet heute noch als Reporterin. Die Ermordung ihres Mannes ist, so zynisch es klingt, nur ein Glied einer langen Kette aus Aktion und Reaktion. Diese zu hinterfragen, mit beharrlicher Berichterstattung möglicherweise zu sprengen, das ist es, was Journalist*innen tun sollten. Vorurteilsfrei, ohne sich vom ideologischen Hass leiten zu lassen. Auch, wenn es persönlich schwerfällt. Annähernd 1.500 Reporter*innen sind in den Jahren 1995 bis 2020 in Ausübung ihres Jobs getötet worden. Hinter jedem Tod steckt eine Geschichte wie die von Daniel Pearl.
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