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Recherche-Tipps aus dem Jenseits: Woody Allens Scoop (2006)

In Scoop wird eine Nachwuchsjournalistin von einem verstorbenen Kollegen auf einen Serienkiller angesetzt - wenn das kein Knüller ist ...

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In Scoop wird eine Nachwuchsjournalistin von einem verstorbenen Kollegen auf einen Serienkiller angesetzt – wenn das kein Knüller ist …

Text: Patrick Torma. Bildmaterial: Concorde.

Zeitlebens war Joe Strombel ein „Zeitungsmann bester Tradition“. Ein Reporter-Ass, das „Unternehmen und Schmalspur-Ganoven“ mit seinen Recherchen überführte. Nun ist er tot. Doch selbst auf seiner eigenen Überfahrt ins Jenseits hat Strombel (Ian McShane, bekannt u.a. aus der John Wick-Reihe) nichts anderes im Sinn, als an seiner nächsten Enthüllung zu feilen.

Eine junge Sekretärin, zu jung, um eines natürlichen Todes zu sterben, aber eben verdächtig früh aus dem Leben geschieden, konfrontiert ihn mit Informationen aus erster Hand: Sie belastet ihren einstigen Arbeitgeber, den britischen Aristokraten Paul Lyman (Hugh Jackman, Der Spitzenkandidat), der Tatrot-Karten-Killer zu sein. Nach ihm fahndet die Polizei seit Jahren bereits fieberhaft.

Ein Toter kommt mit einem Knüller um die Ecke

„Prominente, Mord, Prostitution, diese Geschichte hat alles“, beißt Strobel an. Er unterbricht seine finale Fährfahrt, um die „heißeste Story seit Jack The Ripper“ in der Welt der Lebenden zu platzieren. Strombels Pitch erreicht die Journalistin-Studentin Sondra Pransky (Scarlett Johansson, Lost in Translation), die sich gerade in einer Zauberkiste des großen Splendinis (gespielt von Regisseur Woody Allen) aufhält. Die junge Frau muss sich nach dieser geisterhaften Begegnung zunächst sammeln.

Eigentlich hatte sie ja geplant, Dental-Hygienikerin zu werden, aber da sie nun einmal den Weg einer angehenden Reporterin eingeschlagen hat, nimmt sie den Recherche-Hinweis aus dem Jenseits dankbar auf. Gemeinsam mit Splendini, der sich fortan als ihr Vater ausgibt, heftet sie sich an die Fersen von Paul Lyman. Doch schon bald kommen ihr Zweifel: Ist dieser attraktive und charmante Millionär wirklich ein brutaler Serienmörder?

Joe Strombel (Ian McShance) war mal eine große Reporter-Nummer. Jetzt ist er tot. Also übergibt er seinen letzten Scoop an die junge Journalismus-Studentin Sondro Pransky (Scarlett Johansson).
Joe Strombel (Ian McShance) war mal eine große Reporter-Nummer. Jetzt ist er tot. Also übergibt er seinen letzten Scoop an die junge Journalismus-Studentin Sondro Pransky (Scarlett Johansson).

Ganz schön antiquiert: Das Frauenbild in Scoop

Scoop ist eine Krimi-Komödie in bewähren Woody Allen-Stil: Reichlich Dialoge und viel lakonischer Humor, vorgetragen in einem abgehobenen Umfeld. Der übernatürliche Aufhänger der Story ist da schon ungewöhnlicher, wenn auch nicht sonderlich schlüssig. Denn: Warum sucht sich der journalistische Haudegen Joe Strombel ausgerechnet die bemühte, aber vom Reporterinnen-Dasein überforderte Sondra Pransky aus? Ein Beispiel: Gleich in ihrer allerersten Szene sucht sie einen Promi in dessen Hotelzimmer auf – statt ins geplante Interview mündet das Treffen in einen vom Alkohol vernebelten One-Night-Stand. „Was bin ich nur für eine Journalistin“, räsoniert sie im anschließenden Gespräch mit ihrer allerbesten Freundin. Nur um den fragwürdigen Vorfall Sekunden später als völlig normal wegzulächeln.

Denn schon bald darf sich Pransky, dieses „naive Ding“, in einen Frauenmörder verlieben (Sorry für den Spoiler, aber bevor irgendwelche Erwartungen aufkommen: das Drehbuch versucht gar nicht erst, Haken zu schlagen). Angetrieben wird sie dabei von zwei alten, weißen Männern, die ihr sowohl die Geschichte (Strombel) als auch die Vaterrolle (Splendini) aufzwingen.

Hommage an einen erstklassigen Journalismus?

Es ist zuvorderst Scarlett Johansson zu verdanken, dass der latent durchs Bild wabernde Lolita-Komplex nur selten haften bleibt. Schon damals, mit Anfang 20, wusste die Darstellerin eher fragwürdigen Frauenfiguren eine Eigenständigkeit und damit eine gewisse Würde zu verleihen. Den Rest trägt die für den Regisseur typische Inszenierung bei: In einem Woody Allen-Film, der ja ach so leichtfüßig und intellektuell geschliffen daherkommen möchte, fühlt sich alles etwas unschuldiger an – die späteren #MeToo-Vorwürfe mal ausgeblendet. Tatsächlich aber schimmert in Scoop ein antiquiertes Frauenbild durch, das auch durch den Schlusstriumph der Protagonistin nicht wirklich aufpoliert wird.

Und was ist mit der berichtenden Zunft? Eigener Aussage nach verbeugt sich Woody Allen mit Scoop vor erstklassigem, investigativem Journalismus, wie er früher einmal Usus gewesen sei und insbesondere zu Beginn des Films in nostalgischer Erinnerung an den verstorbenen Strombel beschworen wird. Beim Leichenschmaus unter Reporter-Veteranen werden Orte, Ereignisse und Personen von Bedeutung aneinandergereiht und mit dem Verblichenen in Verbindung gebracht. Ein Verweis auf Watergate, immergrünes Lehrbeispiel investigativen Schaffens, darf dabei nicht fehlen. Strombel selbst ist noch im Angesicht des Todes ein kerniger Typ, der seelenruhig versucht, den Fährmann mit einer Handvoll Bakschisch zum Reden zu bringen. Das Ganze wirkt so, als hätte man nicht nur ihn, sondern gleich die gesamte vierte Gewalt zu Grabe getragen.

Lagebesprechung am Zeitungsstand: Der große Splendini (Woody Allen) steht Sondra bei den Ermittlungen/Recherchen zur Seite.
Lagebesprechung am Zeitungsstand: Der große Splendini (Woody Allen) steht Sondra bei den Ermittlungen/Recherchen zur Seite.

Dieser Scoop ist alles andere als rund

Umso merkwürdiger, dass Woody Allen den Journalismus in seiner skandalverfänglichen Form reanimiert. Strombels Story-Spuk ist weniger von einem Wahrheits- bzw. Gerechtigkeitssinn beseelt; ständig faselt er von einem „Knüller“. Dem Mörder das Handwerk zu legen, dies gehört freilich zur Aufgabenstellung, ist aber ein sekundäres Ziel. Über allem steht das Prestige, mit dem er seine unerfahrene Erfüllungsgehilfin ködert. „Sollten wir nicht besser die Polizei verständigen?“, lenkt die Jungreporterin ein. Einen raffinierten Killer und einflussreichen Millionär wie Lyman müsse man mit handfesten Beweisen konfrontieren, sonst könne er sich aus allem herauswinden, erklärt Strombel. „Sei der Erste“, belehrt er sie. „Aber hab’ die Fakten“. Immerhin das.

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Wovor sich Woody Allen in seinem Film also verbeugt, sollte eigentlich zu denken geben. Möglich, dass der Regisseur seinem Setup nachträglich etwas Geistreiches mitgeben wollte. Im Grunde genommen ist der Journalismus – wie in vielen anderen Filmen auch – nicht mehr als ein Mittel zum Zweck. Jemand muss ermitteln, und wenn man eine romantische Krimi-Klamotte mit halbseidenen Undercover-Methoden erzählen will, dann erweist sich eine offizielle Ermittlungsbehörde als eine dramaturgisch eher schwerfällige Wahl. Die flexible Berufsmoral, die dem Journalismus gerne zugeschrieben wird, kommt dem schon eher entgegen. Macht diesen Scoop aber auch nicht mehr rund.

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