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Kurz(-film) notiert: Weathering (2023)

In dem Kurzfilm Weathering verarbeitet eine Schwarze Journalistin eine Fehlgeburt. Narben hinterlässt auch die Behandlung, die sie erfährt.

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In dem Kurzfilm Weathering verarbeitet eine Schwarze Journalistin eine Fehlgeburt. Narben hinterlässt auch die Behandlung, die sie erfährt.

Text: Patrick Torma. Bildmaterial: Netflix.

Die Journalistin Gemina (Alexis Louder) erleidet eine Fehlgeburt, ausgelöst durch Schwangerschaftskomplikationen infolge von Präeklampsie. So viel zur Diagnose, mehr können oder wollen ihr die Ärzte im Krankenhaus nicht sagen. Also bleibt Gemina nichts anderes übrig, als mit ihrer Trauer fertigzuwerden. Doch postnatale Depressionen und Selbstvorwürfe erschweren ihr die Rückkehr in ein halbwegs normales Alltagsleben. Schlimmer noch: die Schatten, die sie verfolgen, erscheinen immer länger und bedrohlicher …

Weathering (dt. Übersetzung: „Verwitterung“): ist das Regiedebüt von Megalyn Echikunwoke (als Schauspielerin u.a. in Late Night zu sehen) und wurde 2023 auf Netflix veröffentlicht. Der Kurzfilm ist ein kleiner, atmosphärischer Psycho-Thriller, der auf der metaphorischen Ebene das Innenleben einer Schwarzen Frau ausleuchtet. Deren seelische Schmerzen resultieren nicht nur aus der für sich genommen sehr traumatischen Erfahrung einer Fehlgeburt. Einschneidend sind auch die gesellschaftlichen Begleiterscheinungen. 

Weathering adressiert eine Menge Themen

Zum einen spielt die Geringschätzung der Ärzte eine Rolle, die Geminas Sorgen nicht ernst nehmen und Schmerzen nur oberflächlich betäuben, anstatt Ursachen zu behandeln. Zum anderen sind da die empathielosen Reaktionen aus dem unmittelbaren Umfeld, das eigentlich Halt versprechen sollte: Der Partner? Pünktlich zum Schicksalsschlag abgehauen. Die Mama (gespielt von der Oscar-nomierten Alfre Woodard)? Eine gefühlskalte Vertreterin der „Stell Dich nicht so an!“-Fraktion. Ihr bester Freund? Ein übergriffiger Lüstling, der Geminas Verletzlichkeit auszunutzen versucht.

Anhand dieser Gemengelage wird hoffentlich deutlich, was den Film ausmacht: in 20 Minuten wabern etliche – wichtige – Themen durchs Bild. Mentale Gesundheit, ein klassizistisches Gesundheitswesen, rassistische, frauenfeindliche und andere problematische Einstellungsmuster in der Gesellschaft. Für einen Film mit derart kurzer Spieldauer ist das eine Menge Holz.

Es ist nicht allein der Arbeitsdruck, der an Journalistin Gemina zerrt.
Es ist nicht allein der Arbeitsdruck, der an Journalistin Gemina zerrt.

Ein high pressure job – Druck im Journalismus

Zwischen Tür und Angel trägt der Journalismus einen Anteil am „Päckchen“ der Protagonistin. Die Ärzte, die Gemina – das deutet der Film zumindest an – nicht adäquat betreuen, machen ihren „high pressure job“ für den Abort verantwortlich. Und Gemina somit indirekt zur Kindsmörderin. Als wäre der Tod ihres ungeborenen Kindes zu verhindern gewesen, hätte sie bloß die Füße etwas öfters hochgelegt. 

Tatsächlich scheint Geminas Job emotional belastend zu sein. Was angesichts der Situation zunächst wenig überrascht. Es wird nicht klar, ob sie sich gezielt in die Arbeit stürzt, um sich abzulenken. Fakt ist: Ohne dass allzu viel Zeit ins Land gegangen wäre, sitzt Gemina schon bald wieder vor ihrem Laptop. „How is the writing going?“, erkundigt sich die Chefredakteurin kurz und knapp. Keine Worte des Beileids, keine Nachfrage zum Befinden. Einfach Business. Wir sehen, dass Gemina mit einer ausgewachsenen Schreibblockade kämpft. Nun wissen wir nicht, was ihre Arbeitgeber über die Umstände wissen, in denen sie sich befindet. Auch wenn ihr zwischenzeitlich – erneut knapp per E-Mail – ein Aufschub der Deadline angeboten wird: Weathering suggeriert ein straffes, wenig empathisches Arbeitsumfeld. Und offenbart damit wenig Neues.

Nicht nur krankmachend, sondern kathartisch

Der Journalist, der sich voll und ganz der Arbeit verschreibt, Privatleben und die eigene Gesundheit hintenan stellt (Symbol hierfür: ein hoher Alkoholkonsum und notorisches Dauergequarze); die Reporterin, die für ihren Job sogar die eigene Familie vernachlässigt (eine besonders perfide Charakterzeichnung, weil sie verkrustete Rollenbilder propagiert); der bärbeißige Chefredakteur und die skrupellose Programm-Chefin, die ständige Erreichbarkeit, Selbstausbeutung oder gar moralische Flexibilität einfordern – das alles sind geläufige Bilder, die das Kino ständig reproduziert. Sicher sind diese Bilder einer besonderen Härte im Journalismusbetrieb nicht komplett aus der Luft gegriffen. Es ist bekannt, dass der Journalismus auch im echten Leben durchaus so manche Work-Life-Balance auf die Probe stellt, situations- wie statusbedingt ja sogar konterkariert.

Damit steht dieses Berufsfeld allerdings nicht alleine da, und im Kontext des Films scheint mir der Arbeitsdruck, der auf Gemina lastet, auch kein rein journalistisches Problem zu sein. Vielmehr ist er ein Symptom einer übersteigerten, US-amerikanischen Leistungsgesellschaft, in der Schwäche keinen Platz hat. Außerdem endet der Film journalistisch versöhnlich, denn er macht deutlich, dass der Journalismus kathartische Wirkung haben kann, indem er Druckpunkte offenlegt und Missstände in die Öffentlichkeit trägt. Gemina findet sich und ihre Schreibstimme wieder. „What will it take to protect black women?“, tippt sie in ihren Laptop – und bindet damit einen vielschichtigen, latent überfrachteten, aber doch empfehlenswerten Kurzfilm ab.

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COMMENTS

WORDPRESS: 2
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    Lieber Patrick, ich freu mich sehr dass du noch schreibst. Gehört hab ich ja schon lange nichts mehr von dir, vor allem vermisse ich deinen Podcast! Ich wünsche dir jedenfalls ein frohes Neues, ich denke das geht noch. 

    Bis hoffentlich bald,
    Valerie 

    • comment-avatar

      Hallo Valerie,

      freut mich sehr, dass Du hier bei der Stange bleibst. Ja, 2023 war aus diversen Gründen etwas sporadisch. Ob sich die Schlagzahl in diesem Jahr wieder erhöht, kann ich nicht versprechen. Aber zumindest eines kann ich sagen: In Sachen Podcast kommt seeeeehr bald was.

      Liebe Grüße, Patrick

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