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Menschlichkeit über Bord: Überleben in Malaysia (1992)

1,6 Mio. „Boatpeople“ flüchteten ab 1975 über das südchinesische Meer. Überleben in Malaysia erzählt von einer humanitären Katastrophe.

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1,6 Mio. „Boatpeople“ flüchteten ab 1975 über das südchinesische Meer. Überleben in Malaysia erzählt von einer humanitären Katastrophe.

Der Fall Saigons im Jahre 1975 beendete den Vietnamkrieg, nicht aber das Leid der vietnamesischen Bevölkerung. Schlimmer noch: Mit der Wiedervereinigung Vietnams mussten Anhänger und Unterstützer des unterlegenen Südens Repressalien durch die kommunistischen Sieger aus dem Norden fürchten. Folgekriege verschärften die Not zusätzlich: 1,6 Millionen „Boatpeople“ flüchteten in den 1970er- und 80er-Jahren auf kargen Schiffen über das südchinesische Meer – und schipperten in die nächste humanitäre Katastrophe. Einen Ausschnitt aus diesem düsteren Kapitel Südostasiens zeichnet der australisch-US-amerikanische Spielfilm Überleben in Malaysia (OT: Turtle Beach) nach.

Text: Patrick Torma. Bildmaterial: Warner Bros.

Der Fall von Saigon beendete den Vietnamkrieg nicht

Zwangsarbeit, ideologischer Drill in Umerziehungslagern, Folter und Hinrichtungen – die Rache der Sieger vor Augen, sahen viele Südvietnamesen keinen anderen Ausweg als die gefährliche Überfahrt über das Meer. Das Exil in der unmittelbaren Nachbarschaft bot sich wenig an: In Laos hatten nach dem Ende des Vietnamkrieges die kommunistischen Pathet Lao die Macht übernommen, in Kambodscha verübten die Roten Khmer ab 1975 Völkermord an den eigenen Landsleuten. Das vereinigte Vietnam sah sich ab 1978 bemüßigt, Pol Pots zügelloses Terror-Regime zu stürzen – was China, in Angst vor einer indochinesischen Föderation unter vietnamesischer Führung, wiederum Anfang 1979 veranlasste, in Vietnam einzufallen. Hunderttausende von Vietnamesen entschlossen sich, ihrer jungen Nation den Rücken zu kehren.

Lesetipp: Haben die Medien den Vietnamkrieg beendet? Eine Analyse auf journalistenfilme.de: Full Metal Jacket und die Rolle der Medien im Vietnamkrieg.

Der Land- als Fluchtweg war keine Option. Stattdessen wagten sich die Menschen in ihrer Hoffnungslosigkeit auf überfüllte, provisorische Boote. Regelmäßig kenterten Schiffe in der unberechenbaren südchinesischen See: 200.000 bis 400.000 Männer, Frauen und Kinder sollen in den Fluten ums Leben gekommen sein. Zusätzliche Gefahr drohte durch Piraten, gerade vor der Küste Thailands war mit Überfällen zu rechnen. Weswegen die Flüchtlinge immer häufiger den längeren Seeweg nach Malaysia riskierten. Dort angekommen, mussten sie feststellen, dass sie dort ebenso wenig willkommen waren wie in der Heimat.

 Der „malaiische Rassismus gegen chinesische und indische Minderheiten explodiert erneut“  - auf den Straßen Kuala Lumpurs herrscht Ausnahmezustand.
Der „malaiische Rassismus gegen chinesische und indische Minderheiten explodiert erneut“ – auf den Straßen Kuala Lumpurs herrscht Ausnahmezustand.

Der Vielvölkerstaat Malaysia fürchtete einst die Überfremdung

Heute gilt Malaysia als multikultureller Vielvölkerstaat, in dem überwiegend sunnitische Malaien mit Chinesen, Indern und anderen Bevölkerungsgruppen weitgehend harmonisch zusammenleben. Tatsächlich war dieses Zusammenleben in der ehemaligen britischen Kolonie hart erkämpft. Der Auftakt von Überleben in Malaysia zeigt den Ausnahmezustand auf den Straßen Kuala Lumpurs: Der „malaiische Rassismus gegen chinesische und indische Minderheiten explodiert erneut“, hält der Nachrichtenticker fest. Malaysia, erst seit 1957 unabhängig, fürchtete den Identitätsverlust durch Überfremdung. Es kam zu gewalttätigen Aufständen und Überfällen gegen Minoritäten – diesem fremdenfeindlichen Klima schipperten nun noch vietnamesische Flüchtlinge entgegen.

Anstatt deeskalierend einzuwirken, heizte die malaysische Regierung die Stimmung zusätzlich an. Der damalige Premierminister Hussein Onn etwa bezeichnete die Vietnamesen als „illegale Einreisende“ und „tickende Zeitbomben“, welche das „rassische Gleichgewicht“ Malaysias gefährdeten. Onns Stellvertreter Mahathir Mohamed, der von 1981 bis 2003 die Geschicke des Landes leitete und im Jahr 2018 erneut das höchste Amt des Premiers bekleidete, soll sich im Juni 1979 öffentlich sogar zu einem Schießbefehl verleiten lassen haben, was Onn umgehend dementierte. Mohamed habe lediglich angekündigt, man werde die vietnamesischen Boatpeople von der Küste Malaysias „verseuchen“ – die Öffentlichkeit habe dessen Aussagen aufgrund der phonetischen Ähnlichkeit zwischen den englischen Verben „to shoot“ und „to shoo“ missverstanden.

In der Hoffnung auf ein neues Leben in Frieden: 1,6 Mio. Boatpeople sollen  in den 1970er- und 1980er-Jahren über das Meer geflüchtet sein.
In der Hoffnung auf ein neues Leben in Frieden: 1,6 Mio. Boatpeople sollen in den 1970er- und 1980er-Jahren über das Meer geflüchtet sein.

Die vietnamesischen Boatpeople in der Hölle von Palau Bidong

Um den Flüchtlingsstrom abzufangen – und den Vietnamesen ein Fußfassen insbesondere auf der Halbinsel zu erschweren – errichtete Malaysia (wie auch Indonesien) Camps auf vorgelagerten Inseln. Das bekannteste Lager entstand auf Pulau Bidong. Zu „Spitzenzeiten“ lebten 40.000 Menschen zusammengepfercht auf der Fläche eines Football-Feldes, 250.000 Vietnamesen insgesamt sollen die „Hölleninsel“ während ihrer Flucht passiert haben. Ohne die Dimensionen der Menschheitsverbrechen in Relationen zu setzen: Heute steht Bidong synonym für das Leid der vietnamesischen Boatpeople – so wie Auschwitz stellvertretend für den Holocaust an den Juden während des Zweiten Weltkriegs steht. Das Lager Bidong spielt auch in Überleben in Malaysia eine zentrale Rolle.

Der Film basiert auf der Novelle Turtle Beach, die Blanche d’Alpuget, Ehefrau von Australiens Ex-Premierminister Bob Hawke, 1981 veröffentlichte. Der Originaltitel trägt den (fiktiven?) Namen eines Strandabschnitts an der malaysischen Ostküste. Normalerweise ist der Schildkrötenstrand ein paradiesischer Ort, der Leben gebiert. Einmal im Jahr kommen die Panzertiere hierhin, um ihren Nachwuchs auszubrüten. Im Sommer 1979 jedoch verwandelt sich dieses Paradies, das ein Rettungshafen sein soll, in die Hölle auf Erden: Entkräftet erreichen einige Boatpeople den Strand, wo ein wütender Mob bereits auf sie wartet. Hasserfüllte Malaien schlachten wehrlose Ankömmlinge mit Macheten ab, andere werden noch im Meer ertränkt.

Judith ist mittendrin - als Korrespondentin in Malaysia scheut sie keine Gefahr. Zu Beginn des Films allerdings fristet sie ein Dasein als Schreibtischtäterin.
Judith ist mittendrin – als Korrespondentin in Malaysia scheut sie keine Gefahr. Zu Beginn des Films allerdings fristet sie ein Dasein als Schreibtischtäterin.

Journalistin Judith – eine typische (Film-)Vertreterin ihrer Zunft

Überleben in Malaysia setzt zehn Jahre vor diesem Massaker ein. 1969 ist die Reporterin Judith (Greta Scacchi) Zeugin der oben erwähnten Rassenunruhen in der malaysischen Hauptstadt. Sie ist eine typische (Film-)Vertreterin ihrer Zunft: Als Auslandskorrespondentin scheut sie keine Gefahr, ist stets mittendrin – nur knapp entkommt sie mit ihrem Fotografen, zu dem sie eine Liebesbeziehung pflegt, einer aufgebrachten Meute. Zehn Jahre später ist Judith noch immer Journalistin, lebt aber fest in Australien. Familiäre Bande haben sie sesshaft werden lassen. Pflichtschuldig bringt sie ihre Kinder zur Schule, die Beziehung zum Vater – der Fotograf aus der Exposition – ist während dieses Zeitsprungs in die Brüche gegangen. Es ist nicht so, dass Judith ihr Leben, wie es sich entwickelt hat, bereut, allerdings hat sie von ihrem Wirken als Schreibtischtäterin genug.

Judith wirbt bei ihrem Ex-Gatten um Verständnis, dass sie die Kinder für einige Zeit nicht nehmen können wird – ihr Arbeitgeber versetzt sie zurück als Korrespondentin nach Malaysia. Zunächst nur mit Gossip aus der High Society konfrontiert, macht Judith Bekanntschaft mit Minou (Joan Chen), Frau des australischen Botschafters und Vorsitzende des internationalen Flüchtlingkommitees, die ihr von dem Schicksal der Boatpeople berichtet. Minous Doppelrolle als Polit-Gattin und Aktivistin birgt Konfliktpotenzial: Als gebürtige Vietnamesin ist es ihr ein wichtiges Anliegen, möglichst vielen Landsleuten die Chance auf ein neues Leben zu ermöglichen. Allerdings kollidiert dieses Ansinnen mit der diplomatischen Vorsicht ihres Ehemannes. Der toleriert schweigend die rigide Flüchtlingspolitik der malaysischen Regierung – sollte er sich mit humanitären Forderungen hervorwagen, brächte er womöglich die eigene Regierung in Verlegenheit. Die Australier halten sich nämlich ebenfalls vornehm zurück, was die Aufnahme vietnamesischer Flüchtlinge betrifft.

Die "Juden Südoastasiens": Niemand will die vietnamesischen Boatpeople aufnehmen. Auf vorgelagerten Inseln werden Auffanglager eingerichtet.
Die “Juden Südoastasiens”: Niemand will die vietnamesischen Boatpeople aufnehmen. Auf vorgelagerten Inseln werden Auffanglager eingerichtet.

Überleben in Malaysia: Die vierte Stufe des Vietnamkrieges

Minou bezeichnet die Odyssee ihrer Landsleute „als vierte Stufe des Vietnamkrieges“, eine Zweitquelle eröffnet Judith, die Vietnamesen seien so etwas wie die Juden Asiens. Niemand wolle sie aufnehmen, weil sie für die instabile Lage in Südostasien verantwortlich gemacht würden. Sie erfährt auch von dem Lager auf Bidong. Ihre australischen Vertrauenspersonen raten der Journalistin davon ab, tiefer in dieses Thema einzusteigen. „Du verlierst dein Visum“, raunt man ihr entgegen. Doch derartige Warnungen stacheln die Judith nur an. Zumal sie schnell merkt, dass die Ratschläge ihrer nicht-asiatischen Kontakte fadenscheiniger Natur sind. Nach dem Motto: Bloß nicht die Malaien verärgern, sonst ist es vorbei mit den kolonialistischen Annehmlichkeiten in dem Land.

Da nach Bidong keine Ausflugsboote fahren, bittet Judith Minou um Unterstützung. Die Vorsitzende des Flüchtlingskommitees willigt ein, möchte für das Geleit eine Titelstory garantiert wissen. In der Vergangenheit, lässt sie durchblicken, sei sie von der Presse bitterlich enttäuscht worden. Außerdem: „Niemand hilft, „ohne dass er etwas davon hat.“ Quid pro quo, sozusagen. Minou führt Judith zunächst an den Turtle Beach, einer heimlichen Anlegestelle für vietnamesische Flüchtlingsboote. Doch was eigentlich geheim bleiben sollte, hat sich inzwischen vor Ort herumgesprochen. Judith wird Zeugin höchst dramatischer Szenen am Schildkrötenstrand.

Fremdenfeindliche Einheimische warten auf die Ankunft der Boatpeople - der Mob richtet ein Massaker an.
Fremdenfeindliche Einheimische warten auf die Ankunft der Boatpeople – der Mob richtet ein Massaker an.

Massaker am Turtle Beach: “Schreibe, was Du gesehen hast”

Ein Flüchtlingsboot taucht am Horizont auf, es ist völlig überfüllt. Als es sich dem rettenden Ufer nähert, springen „Passagiere“ panisch über Bord, darunter Frauen und Kinder. Die wenigsten sind in der Lage, sich über Wasser zu halten. Minou und Judith greifen beherzt ein und retten einzelne Flüchtlinge vor dem Ertrinken – um anschließend hilflos mit anzusehen, wie die geretteten Menschen, die sich am Ziel ihrer Hoffnung wähnen, heimtückisch von Einheimischen ermordet werden. Der Schock sitzt tief. Es ist Minou, die als Erste ihre Worte wiederfindet. „Schreibe, was Du gesehen hast“, fordert sie Judith auf.

Ihre Story kann das Verbrechen nicht ungeschehen machen. Aber vielleicht dafür sorgen, dass die Weltöffentlichkeit auf das Schicksal der Boatpeople aufmerksam wird – und dass sich die Geschichte nicht wiederholt. Die Reporterin tut, wie ihr geheißen. Doch sie schreibt ihren Artikel für die Tonne: Ihre Zeitung druckt den Bericht nicht ab. Judith fällt aus allen Wolken. Minou hingegen scheint nichts anderes erwartet zu haben, rügt Judith sogar für ihre Naivität.

Sind die Motive von Journalist*innen immer egoistisch?

„Ach, Brenda Starr“, sagt sie in Anlehnung an die glamouröse Super-Journalistin*, „das ist deine Art der Prostitution […] Du profitierst doch auch von den Boatpeople!“ Soll heißen: Judith mag sich noch so sehr für das Schicksal der Boatpeople interessieren, ihr Einsatz wird immer aus egoistischen Motiven heraus erfolgen. Sei es, weil sie sich Ruhm erhofft, Geld für die Miete verdienen muss oder den Drang nach der Abwechslung von den Pflichten einer Mutter verspürt.

*Brenda Starr ist die Protagonistin eines erfolgreichen Zeitungscomics, der erstmals 1940 schien. Optisch lehnte die Zeichnerin Dalia Messick ihre Figur an die Schauspielerin Rita „Love Goddess“ Hayworth an. Brenda Starr war der weibliche Gegenentwurf zu den vielen männlichen Helden, die sich üblicherweise in Abenteuer und Romanzen stürzten. Ein Idealbild einer Journalistin, wenn auch auch kein realistisches. Die Referenz in Überleben in Malaysia ist somit als ein Seitenhieb zu verstehen: Indem Minou Judith „Brenda Starr“ nennt, unterstellt sie der Reporterin, sie habe keine Ahnung, wie Presse wirklich funktioniere. Fun Fact: 1986 wurde ein Realfilm mit Brooke Shields in der Hauptrolle der Brenda Starr gedreht, der danach einige Jahre in der Produktionshölle schmorte und erst 1989 auf einigen internationalen Märkten erschien. Bis der Film in den USA veröffentlicht wurde, dauerte es sogar bis ins Jahr 1992…

Die kecke Minou Hobday besitzt eine Flüchtlingsvergangenheit - als Frau des australischen Botschafters in Malaysia setzt sie sich für ihre Landsleute ein. Einen Grund für ihr Engagement hält sie bis zum Schluss zurück...
Die kecke Minou Hobday besitzt eine Flüchtlingsvergangenheit – als Frau des australischen Botschafters in Malaysia setzt sie sich für ihre Landsleute ein. Einen Grund für ihr Engagement hält sie bis zum Schluss zurück…

Journalismus zwischen Altruismus und Prostitution

Über die Parallelen zwischen Journalismus und Prostitution lässt es sich herrlich sinnieren. Wo hört Idealismus auf und wo fängt Käuflichkeit an? Kann und darf es absolute Selbstlosigkeit, die die Aktivistin Minou von der Reporterin Judith einfordert, im diesem Berufsstand überhaupt geben? Fragen, über die man mal durchaus nachdenken kann. Allerdings nicht im weiteren Kontext von Überleben in Malaysia. Der Film trudelt in der zweiten Hälfte unentschlossen wie wild zwischen Reporterfilm und Rührstück umher. Minous Monolog erfolgt aus einer überheblichen „Alles Huren außer Mutti“-Haltung heraus – wortwörtlich, denn wie sich herausstellt, erwartet sie die Ankunft ihrer kleinen Tochter, die sie während ihrer eigenen Flucht in Vietnam zurücklassen musste, auf einem der Boote.

Mit einem solchen Grad der Verwicklung kann die Außenstehende Judith freilich nicht mithalten. Allerdings: 100-prozentig altruistisch ist auch Minous Handeln nicht. Sicher, Mutterinstinkt ist eine Form von Altruismus, und auch in ihrer Opferbereitschaft – Minou tauscht in einer finalen Rettungsaktion ihr Leben gegen das ihrer Tochter ein – ist sie bis zuletzt konsequent. Doch das Narrativ der privilegierten Botschafterfrau, die sich ungeachtet ihres Status für ihre schutzbedürftigen Landsleute einsetzt, lässt sich so nicht aufrecht erhalten. Und Judith? Die Reporterin konserviert Minous Geschichte für die Nachwelt und kehrt geläutert zu ihren Kindern zurück. Wirklich stimmig ist die Moral von der Geschichte nicht.

Endlich erhalten die Boatpeople mediale Aufmerksamkeit - am Ende erzählt Judith der Welt, was sich am Turtle Beach zugetragen hat.
Endlich erhalten die Boatpeople mediale Aufmerksamkeit – am Ende erzählt Judith der Welt, was sich am Turtle Beach zugetragen hat.

Überleben in Malaysia war ein kolossaler Flop

Ein Eindruck, den bereits Publikum und Kritiker seinerzeit Zeit teilten, selbst die am Film Beteiligten waren mit dem Ergebnis unzufrieden. Von Beginn an stand die Produktion unter keinem guten Stern, die Erwartungen der Produzenten waren überzogen hoch. Allein Australiens staatliche Film Finance Corporation investierte 5.250.000 Millionen Dollar, man erhoffte sich eine Wiederholung des Erfolgs, den Ein Jahr in der Hölle (OT: The Year of Living Dangerously) zehn Jahre zuvor einfuhr. Tatsächlich sind Parallelen zu Peter Weirs Kriegsreporter-Drama von 1982 unverkennbar.

In Ein Jahr in der Hölle berichtet der australische Reporter Guy Hamilton (Mel Gibson) über die revolutionären Vorgänge in Indonesien rund um den 30. September 1965, zur Seite steht ihm der einheimische Fotograf Kwan (Linda Hunt), der dem Korrespondenten das Verständnis für Land und Leute vermittelt. Die Figur des Kwan war ganz sicher Vorbild für die Rolle der Minou, jedenfalls ist sie in ihrem Charakter sowie in ihrer Funktion für den Film auffallend ähnlich gestrickt: Beide Figuren öffnen den Reportern die Augen, verfolgen ihre eigene Agenda und formulieren demnach Ansprüche („Schreib, was Du gesehen hast!“), gleichzeitig hegen sie die Hoffnung, dass der auswärtige Journalismus internationalen Druck auf die Verhältnisse in ihren Ländern ausübt.

Tee-Partys und Cricket - viele Ausländer führen in Malaysia ein herrschaftliches Leben. Weshalb Judith Neugier bei dem einen oder anderen Nutznießer für kalte Füße sorgt.
Tee-Partys und Cricket – viele Ausländer führen in Malaysia ein herrschaftliches Leben. Weshalb Judith sNeugier bei dem einen oder anderen Nutznießer für kalte Füße sorgt.

Buch und Regie haben das “Turkey Beach”-Debakel vorhergesehen

Ein Jahr in der Hölle war zwar am Eröffnungswochenende alles andere als ein Kassenschlager, allerdings wurde der Film vom Start weg mit guten Kritiken bedacht und in der Folge vielfach ausgezeichnet, nicht zuletzt mit dem Academy Award für Linda Hunt als beste weibliche Nebendarstellerin. Oscar-Buzz sei Dank, schaffte es der Streifen schließlich in die Gewinnzone (10,2 Mio. Dollar Umsatz in den USA, knappe 3 Mio. Dollar in Australien, bei einem Produktionsbudget von ca. 6. Mio Dollar). Mit einem Einspielergebnis von gerade mal etwas mehr als 1 Mio. Dollar in Australien und den Vereinigten Staaten war Turtle Beach hingegen ein kolossaler Flop, heute ist der Film auch unter dem Spitznamen Turkey Beach berüchtigt.

Sowohl Drehbuchautorin Ann Turner als auch Regisseur Stephen Wallace wollen das Debakel vorhergesehen haben. Turner arbeitete bereits für die australische Filmfirma Village Roadshow am Skript, als amerikanische Produzenten in das Projekt einstiegen – plötzlich seien Streitereien über die Ausrichtung des Films an der Tagesordnung gewesen. Turner: “When I first saw the film I thought it looked like the writer was on drugs or completely insane, because you could see there were two films working within the one film… There were a lot of different voices in terms of the finance-raising, there was American money, and the producers – many, plural – really had very different views of what the film should be.“”

Reporterfilm oder Liebesschmonzette? Überleben in Malaysia sei unter die Räder der Produzenten geraten, die sich über die Ausrichtung des Films stritten. So erzählen es zumindest Autorin Ann Turner und Regisseur Stephen Wallace.
Reporterfilm oder Liebesschmonzette? Überleben in Malaysia sei unter die Räder der Produzenten geraten, die sich über die Ausrichtung des Films stritten. So erzählen es zumindest Autorin Ann Turner und Regisseur Stephen Wallace.

Regisseur Wallace: “The producers all wanted to make Pretty Woman”

Kritisch äußerte sich auch Regisseur Stephen Wallace: “I loved the book and I really wanted to make the film. I think in the end the script really wasn’t good enough and I had a terrible run-in with the producer on it. It was just a nightmare. I wanted to make a film about Asia again, because I thought Asia was misunderstood in Australia and I thought the more light we can shed on Asians, the better… But unfortunately in the film, it all went haywire … The producers all wanted to make Pretty Woman.

Stephen Wallace lieferte eine erste Schnittfassung ab, wurde allerdings danach gefeuert. Roadshow ließ etliche Szenen nachdrehen und eine neue Fassung erstellen. Wallace wollte seinen Namen aus den Credits streichen lassen, seine Agenten hätten ihm allerdings abgeraten, sich von diesem Film zu distanzieren. Eine Entscheidung, die der Filmemacher bis heute bereut. Überleben in Malaysia war lange Zeit Wallaces letzte Regiearbeit an einem Spielfilm, erst 2014 führte er wieder Regie bei einem Low-Bugdet-Film.

Die Hauptdarstellerinnen Greta Scacchi und Joan Chen brachten das Desaster unbeschädigt hinter sich. Beide hatten das Beste aus ihren Rollen herausgeholt, wenn man bedenkt, dass das Skript die Reporterin zur Augenzeugin degradiert (Wo bleibt die journalistische Eigenleistung?) und Minou die Funktion einer überflüssigen Erzählerin einnimmt, die das Gesehene fortdauernd rekapituliert. Den Schauspielerin dürfte schließlich zu Gute gekommen sein, dass Überleben in Malaysia an den Kinokasssen … nun ja … nicht lange überlebte. Am ärgerlichsten ist jedoch die Tatsache, dass ein wichtiges und noch immer nicht vollständig aufgearbeitetes Thema (mit Bezügen in die Gegenwart) teuer in den Sand gesetzt wurde.

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