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The Crucifixion (2017): Das Kreuz mit diesem verdammten Journalismus

Eine US-Journalistin reist nach Rumänien, um den Tod einer jungen Nonne aufzuklären, die durch einen fatalen Exorzismus ums Leben kam.

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Eine US-Journalistin reist nach Rumänien, um den Tod einer jungen Nonne aufzuklären, die durch einen fatalen Exorzismus ums Leben kam.

Die Gründe ihrer Reise sind haarsträubend, die Darstellungen ihrer Recherche hingegen überraschend ausgiebig. Dafür scharrt der Horror in The Crucifixion mit den Hufen.

Text: Patrick Torma. Bildmaterial: Tiberius Film.

Das Label „beruhend auf wahren Begebenheiten“ bringt Würze in jede Geschichte. In Journalistenfilmen sowieso, und auch im Horror-Segment profitieren Filme von der Kraft der Suggestion, das inszenierte Grauen könnte sich, zumindest in ähnlicher Form, wahrhaftig zugetragen haben. The Crucifixion verbindet nicht nur die Welten des Journalisten- und Horrorfilms, er setzt noch einen drauf: Der Film beruft sich auf „aktuelle Ereignisse“ – und schützt damit eine Dringlichkeit vor. Aufgrund dieser „Aktualität“ müssen wir annehmen, dass Regisseur Xavier Gens (Frontier(s)) regelrecht gezwungen war, das abgegraste Genre des Exorzismus-Films um einen weiteren Beitrag zu bereichern. Blöd nur, dass der Fall, auf den sich The Crucifixion seinerzeit bezog, schon wieder 13 Jahre her war. Unmittelbar nach dem Disclaimer „Inspiriert durch aktuelle Ereignisse“ reist der Film tatsächlich ins Rumänien des Jahres 2004 zurück.

Dort sorgt das Schicksal einer jungen Nonne für Schlagzeilen: Die 23-jährige Adelina stirbt nach einem brutalen Exorzismus-Ritual. Ein Priester und vier Ordensschwestern stehen unter Mordverdacht. Sie beteuern: Adelina sei von Dämonen besessen gewesen. Für die säkularen Behörden ist der Fall klar – der Dorfgeistliche hat eine schwere Schizophrenie fehlinterpretiert, die Frau ans Kreuz genagelt und elendig verrecken lassen. Nicole Rawlins (Sophie Cookson, Kingsman), Journalistin beim fiktiven New York Sentinel*, wird durch die Berichterstattung im rumänischen Fernsehen auf den Vorfall aufmerksam.

*Fun Fact: In Ron Howards Schlagzeilen gibt es eine Zeitung, die genauso heißt.

Och, bitte, bitte, bitte! Lass mich die Recherche in Rumänien machen! Chefredakteur Phil (Jeff Rawle) kann Journalistin Nicole (Sophie Cookson)  keine Anfrage ausschlagen. Er ist nämlich ihr Onkel.
Och, bitte, bitte, bitte! Lass mich die Recherche in Rumänien machen! Chefredakteur Phil (Jeff Rawle) kann Journalistin Nicole (Sophie Cookson) keine Anfrage ausschlagen. Er ist nämlich ihr Onkel.

Damn you, religion! Retourkutsche einer Journalistin

Nun belagert sie das Büro ihres Chefredakteurs Phil (Jeff Rawle), dem sie die Story geradezu aufdrängt. Der zweifelt zunächst die Relevanz dieser Geschichte an: „Wirklich, eine Story über eine besessene Nonne? Du suchst doch nur eine Chance, die Religion anzuklagen! Das bringt deine Mutter auch nicht zurück!“ Weil Phil aber nicht nur Chefredakteur, sondern auch Onkel von Nicole ist, kann der gar nicht anders, als seiner Nichte die Auslandsrecherche zu genehmigen.

Abgesehen von der grundsätzlichen Frage, warum ausgerechnet eine US-Journalistin die Fackelträgerin in dieser Kriminal-Story sein soll (die rumänischen Kolleg*innen haben offensichtlich Besseres zu berichten): Der journalistische Aufhänger in The Crucifixion ist notdürftig zusammengezimmert. Denn was will Nicole mit dieser Geschichte eigentlich bezwecken? Will sie widerlegen, dass Adelina vorsätzlich ermordet wurde? Der (orthodoxen) Kirche eins reinwürgen? Die Exposition drückt uns ein Motiv aufs Auge, ohne es weiter auszuführen: Nicole wurde durch einen privaten Schicksalsschlag in ihren Antworten auf die Gretchenfrage ins Wanken gebracht.

Haben Sie diese von Dämonen besessene Ordensschwester gesehen? Nicole verfolgt konsequent ihren Weg. Nachdem ihre Motive ziemlich fragwürdig waren, immerhin das.
Haben Sie diese von Dämonen besessene Ordensschwester gesehen? Nicole verfolgt konsequent ihren Weg. Nachdem ihre Motive ziemlich fragwürdig waren, immerhin das.

Ziemlicher Mumpitz, der sich seine Ernsthaftigkeit bewahrt

Wir bleiben an dieser Stelle möglichst spoilerfrei: Nicoles Trauma mag atheistische Tendenzen rechtfertigen, hat aber nichts im Geringstem mit Dämonenaustreibungen in der Walachei zu tun. Ginge es ihr darum, die verheerenden Folgen fehlgeleiteter Glaubenssätze offenzulegen, müsste sie die Staaten nicht einmal verlassen. Ein solcher Spin aber würde bedeuten, man mute dem Kernzielmarkt eine ganze Menge zu: Exorzismus in USA? Aber bitte! Wir alle wissen doch: Solche Methoden kommen natürlich nur in rückständigen Ländern wie Rumänien zur Anwendung. Hinzu kommt, ganz ohne Sarkasmus: Hinter seiner gotteslästerlichen Fassade ist The Crucifixion ein wertekonservativer Film mit religiöser Botschaft.

Immerhin: Der Film bemüht sich, einen ernstzunehmenden Charakter zu wahren. Die osteuropäischen Einheimischen sind keine per se grenzdebilen Bauernlümmel (wie etwa im ähnlich gelagerten The Shrine), auch wenn The Crucifixion nicht umher kann, die vermeintlich anders tickenden Uhren im ländlichen Rumänien zu betonen. Umso erstaunlicher, dass alle Menschen vor Ort bestes, interview-fähiges Englisch sprechen (tatsächlich sind die Englischkenntnisse junger Rumän*innen häufig sehr gut). Eine sprachliche Isolation hätte für zusätzliche Beklemmung sorgen können. So werden Nicoles Recherchen erleichtert, diese nehmen überraschenderweise einen Großteil des Films ein. Die Profession der Hauptfigur ist nicht bloß Vorwand, sondern ein wichtiger Bestandteil der Narration: In seinen ersten 45 Minuten erzählt der Film eine journalistische Detektivgeschichte. Nicole greift die vielen losen Enden in diesem Fall auf, bei den häufigen Rückblenden handelt es sich stets um Schilderungen, die die Reporterin ihren Gesprächspartner*innen entlockt.

Jede Seite kommt zu Wort: Nicole ist um Ausgewogenheit bemüht. Hier interviewt sie den Priester, der für den Tod einer Nonne verantwortlich gemacht wird.
Jede Seite kommt zu Wort: Nicole ist um Ausgewogenheit bemüht. Hier interviewt sie den Priester, der für den Tod einer Nonne verantwortlich gemacht wird.

Journalistische Ausgewogenheit im dämonischen Exorzismus-Sumpf

Wir sehen eine Journalistin, die ihrem – zugegeben, arg zweifelhaften – Erkenntnisinteresse gewissenhaft nachgeht. Nicole zieht keine voreiligen Schlüsse, sondern sucht sich immer neue Gesprächspartner*innen, die die Recherchen vorantreiben: Ärzte, Priester (darunter der Mordverdächtige in U-Haft), Ordensschwestern, Zeug*innen, enge Verwandte des Opfers, selbst den zuständigen Bischof bekommt Nicole zu fassen. Durch diese unterschiedlichen Perspektiven erscheint der Fall immer wieder in einem neuen Licht.

Eine Psychologin etwa verweist auf den gesellschaftlichen Umgang mit psychischen Erkrankungen in ländlichen Gebieten, der Bischof rekapituliert, wie der Fall der Sowjetunion eine Zersplitterung der Glaubensrichtungen zur Folge hatte. Ein Geistlicher erklärt Nicole die vier Phasen der dämonischen Besessenheit. Freilich sind dies oberflächliche Betrachtungen, die dem Film lediglich Pseudo-Tiefe verleihen: In seiner „Ernsthaftigkeit“ allerdings, wie er journalistische Arbeit abbildet, hebt sich The Crucifixion wohltuend von ähnlich gelagerten Horror-Streifen ab. Auch wenn Horror-Fans angesichts der vielen Haken nervös im Sessel herumrutschen – denn die Spurensicherung nimmt ganz schön viel Raum ein. Der Horror kommt erst in der zweiten Hälfte des Films zur Entfaltung.

Was ist denn das für ein bescheuerter Brauch? In Rumänien verkleiden sich die Menschen tatsächlich, um böse Geister zu vertreiben.
Was ist denn das für ein bescheuerter Brauch? In Rumänien verkleiden sich die Menschen tatsächlich, um böse Geister zu vertreiben.

Recherchen auf eigene Faust: Hausfriedensbruch mit Ansage

Natürlich trägt Nicole auch einige wenig einfallsreiche Züge in sich. Dass Journalist*innen derart auf eigene Faust agieren, ist eine beliebte Trope in Filmen. Allerdings: Wenn Chefredakteur Phil eine solche Auslandsreise genehmigt, müsste man doch annehmen dürfen, dass er sie redaktionell stärker begleitet und er nicht bloß einige Kontrollanrufe aus Sorge um seine Nichte tätigt. Weder einen Kameramann, noch eine lokale Verbindungsperson bekommt die Journalistin an die Seite gestellt.

Im echten Leben böte eine zweite Person zusätzliche Sicherheit, weil sie den Ablauf der Recherchen im Zweifelsfall bezeugen könnte. In einem Horror-Heuler hingegen ist ein solches Sicherheitsnetz fehl am Platz, geht es doch darum, das Unbehagen in uns heraufzubeschwören. Indem es Nicole völlig autark losziehen lässt, ist das Drehbuch in der Lage, die Journalistin in unheimliche Situationen zu verstricken. So kommt es, dass eine junge Frau allein durch dunkle Krypten stakst – und ganz nebenbei Hausfriedensbruch begeht. „Ich komme sowieso in die Hölle“, bemerkt die Reporterin in einer Szene.

The Curcifixion erfindet das Genre der Exorzismus-Filme ganz sicher nicht neu. Die Kamera-Arbeit allerdings nimmt sich die eine oder andere Raffinesse heraus. Diese Szene hier gehört zu meinen absoluten Highlights, weil sie ziemlich anmutig ist.
The Curcifixion erfindet das Genre der Exorzismus-Filme ganz sicher nicht neu. Die Kamera-Arbeit allerdings nimmt sich die eine oder andere Raffinesse heraus. Diese Szene hier gehört zu meinen absoluten Highlights, weil sie ziemlich anmutig ist.

Wie Weihwasser auf die miesen Darstellungen des Genres

Ganz so schlimm kommt es für Nicole nicht, aber irgendwann lässt auch The Crucifixion die kriminalistische Aufbereitung des Falls beiseite und verlegt sich aufs Gruseln. Trotz des „nachrichtlichen“ Aufhängers sind dabei keine großen Neuigkeiten zu erwarten, was Motive und Themen des Exorzismus-Films betrifft. Positiv hervorheben ist die Kameraarbeit, die einige interessante Einfälle parat hält und für Atmosphäre sorgt. Dunkle Katakomben und uralte Klosteranlagen sind beklemmend in Szene gesetzt, weite Landschaftaufnahmen wecken die Lust, Rumänien zu entdecken. Die „journalistische“ Herangehensweise wirkt wie ein Tropfen Weihwasser auf ein Genre, das einige zum Teil haarsträubende Darstellungen von Reporter*innen hervorgebracht hat, ehrlicherweise aber auch wie eine Prozedur, die das Ritual zu sehr in die Länge zieht. Vielleicht hätte Gens eher beginnen müssen, den Journalismus auszutreiben.

Übrigens: Die wahre Begebenheit, auf die sich The Crucifixion beruft, trug sich 2005 im rumänischen Tanacu zu. Hierzulande berichtete unter anderem DER SPIEGEL.

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