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Pressereise des Todes: The Shrine (2010)

Eine Pressereise, die ist blutig: Drei Journalist*innen zieht es in die polnische Pampa, wo sie das Verschwinden von Rucksacktouristen untersuchen. 

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Eine Pressereise, die ist blutig: Drei Journalist*innen zieht es in die polnische Pampa, wo sie das Verschwinden von Rucksacktouristen untersuchen.                                                       

Der örtliche Bauernpöbel empfängt die Reisegruppe nicht gerade überschwänglich. Verständlich, schließlich gelingt es den Journalisten aufgrund der Sprachbarriere  nicht, das öffentliche Interesse an diesem Fall zu verdeutlichen. Und als ob das nicht schon Recherche-Schikane genug wäre, stochern die Berichterstatter wortwörtlich im Nebel. Eines muss man The Shrine lassen: Das kanadische Horror-B-Movie gibt sich redlich Mühe, eine etwas andere Vorgeschichte zu erzählen. Ob es ihm dadurch gelingt, aus dem Genre-Einerlei herauszuragen, steht freilich auf einem anderen Blatt.Text: Patrick Torma. Bildmaterial: I-On New Media.

Carmen hat mächtig Mist gebaut. Wir erfahren zwar nicht, worüber sie genau gestolpert ist, aber offensichtlich hat sie ein kontroverses Thema in den Sand gesetzt und ihren Arbeitergeber ziemlich bescheiden dastehen lassen. Ein gefälschtes Interview, ein erfundener Leitartikel oder die erneute Veröffentlichung von Hitlers falschen Tagebüchern, was es auch war, der Vorfall war so gravierend, dass Carmen wieder Praktikanten-Jobs verrichten darf. Aus der Vorhölle der publizistischen Bedeutungslosigkeit kennt sie nur ein Entkommen – sie muss eine richtige Knaller-Story an Land ziehen.

Wie das Schicksal so spielt, fällt Carmen eine potenzielle Knaller-Story in den Schoss. Eine Mutter meldet ihren Sohn als vermisst, nachdem dieser von einem Backpacker-Trip aus Polen nicht zurückgekehrt ist. Die Polizei schert sich natürlich herzlich wenig um das Verschwinden des jungen Mannes, darüber hinaus ist es nicht der erste Vermisstenfall, der mit Reisen in diese Region in Verbindung gebracht wird. Für Carmen ist klar: Das Verschwinden dieser Menschen muss journalistisch aufgearbeitet werden. Nordamerikaner müssen wieder sicher durch Europa tingeln können!

Keine Pyjama-Party: Keine Ahnung, was sich Reporterin Carmen und Praktikantin Sara bei der Reiseplanung gedacht hatten, aber hiermit haben sie ganz sicher nicht gerechnet...

Keine Pyjama-Party: Keine Ahnung, was Reporterin Carmen und Praktikantin Sara bei der Reiseplanung erwartet haben, aber hiermit haben sie ganz sicher nicht gerechnet…

Verschwundene Touristen vs. Bienensterben

Im Büro ihres Chefredakteurs pitcht Carmen ihre Pulitzer-Preis verdächtige Reportage. Doch der Blattchef – stilecht: ein alter Mann mit Hosenträger, aber ohne Peilung, worauf die Kids so stehen – wiegelt ab. Rucksacktouristen verschwänden doch dauernd, ist er überzeugt (vermutlich, weil er Backpacking mit Vietnam verwechselt). Und überhaupt – da sei doch noch diese unbearbeitete Geschichte über das lokale Bienensterben. Für Carmen ist diese Umwelt-Story nicht der Stoff, aus dem journalistische Epen gemacht sind. Obwohl eine ökologische Katastrophe mit Folgen für die regionale Landwirtschaft größere Relevanz besitzt als das Verschwinden von unvorsichtigen Abenteuertouristen in einem Land, von dem viele Amerikaner nicht wissen, wo genau es eigentlich liegt. Aber hey, irgendwie muss der Film ja weitergehen.

Fast noch knickt sogar der Alte ein, wie ein Vater, der seiner flehenden Tochter keinen Wunsch abschlagen kann. Aber mit Blick aufs Spesenkonto kann auch er nur das ausgeben, was er einnimmt. Die Kosten seien viel zu hoch, betont er, um die Diskussion mit seiner ganzen argumentativen Power abzuschließen: „Ich möchte das nicht.“

Slawisches Hinterwäldertum at it's best: Die Einwohner des polnischen Kaffs sind natürlich rückständige Bauerntölpel.

Slawisches Hinterwäldertum at it’s best: Die Einwohner des polnischen Kaffs sind natürlich rückständige Bauerntölpel.

Wo ist Borat, wenn man ihn mal braucht?

Das Machtwort zeigt Wirkung, denn Carmen schnappt sich Praktikantin Sara (die vermisst sowieso niemand) und ihren Freund Marcus und jettet auf eigene Faust (aber bestimmt nicht auf eigene Kosten) nach Europa. Wir erfahren vorher noch, dass Carmen ihren Freund vor lauter Arbeit vernachlässigt hat. Doch glücklicherweise ist Marcus Fotoreporter, sodass sich Berufliches und Privates endlich einmal vereinbaren lassen. In Polen angekommen, stellt sich jedoch heraus, dass es schönere Destinationen für Pärchen-Reportagen gibt.

In der polnischen Einöde liegt nicht nur der Hund begraben, die Einheimischen sind natürlich allesamt rückständige Bauerntölpel ohne Geschmack und Manieren. Hier schlachten Männer noch oberkörperfrei und mit Kippe im Mundwinkel, slawisches Hinterwäldertum at it’s best. Fehlt nur noch, dass Borat Sagadiev mit einem fröhlichen jak się masz um die Ecke biegt und uns mit dem Dorfvergewaltiger bekannt macht. Ein kleines Mädchen, auf das unsere drei Super-Journalist*innen treffen, antwortet auf die Frage „Kennst Du Amerika?“ allen Ernstes: „Ja, Cheeseburger!“ Ein kultureller Brückenschlag zum Zungeschnalzen. Zur Feier des Tages wird der eine oder andere im Gegenzug noch zu Krakauern verarbeitet.

Rabiater Presse-Bann: Sara, Carmen und Marcus werden von den Eingeborenen an der Intensivrecherche gehindert.

Die journalistische Gier als Todsünde

An dieser Stelle stoppen wir die Nacherzählung, viel mehr gibt es auch nicht, was es sich nachzuerzählen lohnt. Je näher The Shrine seiner Auflösung kommt, gibt sich dieser Horrorfilm den üblichen Genre-Konventionen hin, zumindest aus dramaturgischer Sicht – Horror-Connaisseure schätzen ihn für seine ordentlichen Effekte. Spätestens mit dem stimmungsvollen wie stümperhaften Stochern im dämonischen Nebel hat sich der journalistische Anstrich erledigt, der ohnehin viel zu dick aufgepinselt wurde. Echte Gorehounds drücken bei dieser Alibi-Vorgeschichte auf die Vorspultaste, The Shrine ist kein zweites From Dusk Til Dawn, wo die erste Hälfte des Films im krassen Kontrast zur splattrigen, zweiten Hälfte steht.

Das Journalisten-Trio erfüllt alle Ansprüche an your average horror movie cast  – die Figuren sind jung, heiß und entbehrlich. Die Gier nach journalistischer Anerkennung als Variation der Todsünde ist eine nette Idee, mehr aber auch nicht. Immerhin: Ohne den Journalisten-Ansatz hätte ich mir diesen Film sicher nicht gegeben, die ersten 35 Minuten sind aufgrund der unpräzisen Darstellung zumindest unfreiwillig komisch. Der Rest ist immerhin routinierter Horror, wie man ihn zuhauf geboten bekommt.

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The Shrine. Mittelmäßiger Horror, hanebüchene Journo-Story. Nix Wildes. Wer zugreifen mag – hier geht’s zu Amazon*:

1.0
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