Zurück auf Anfang: Superman Returns, Bryan Singers Hybrid aus Neuverfilmung und Fortsetzung, ignoriert die Ereignisse aus Superman III und IV.
Zurück auf Anfang: Superman Returns, Bryan Singers Hybrid aus Neuverfilmung und Fortsetzung, ignoriert die Ereignisse aus Superman III und IV.
Damit hat sich auch die schöne Medien-Utopie aus Die Welt am Abgrund erledigt. Der Daily Planet ist wieder ein Hort der Sensationsmache. Und doch hat sich etwas geändert – unter anderem ist Lois Lane endlich Pulitzer-Preisträgerin. Glücklich ist sie trotzdem nicht.
Text: Patrick Torma. Bildmaterial: Warner.
Superman Returns setzt zeitlich fünf Jahre nach Superman II ein. Nach seinem Sieg über General Zod zog sich der Man of Steel auf Spurensuche ins All zurück, in der Hoffnung Überreste bzw. Überlebende seines Heimatplaneten Krypton ausfindig zu machen. Ohne Erfolg kehrt Superman (Brandon Routh) in sein irdisches Leben zurück. Nur um festzustellen, dass die Welt auch ohne den stählernen Retter zu Rande kam.
Selbiges scheint auch für Lois Lane (Kate Bosworth) zu gelten, die inzwischen mit Frank White (James Marsden), Neffe des Daily Planet-Chefredakteurs Perry White, liiert und Mutter eines Sohnes ist. Außerdem hat Lois Lane ihren beruflichen Traum verwirklicht – für ihren Artikel „Warum die Welt Superman nicht braucht“ soll die Reporterin mit dem ersehnten Pulitzer-Preis ausgezeichnet werden. Ausgerechnet. Dass sie den Artikel weniger aus Überzeugung, sondern aus enttäuschter Liebe heraus verfasst hat, können wir uns als Zuschauer bereits denken.
Wiedereingliederung eines journalistischen Arbeitsverweigers
Immerhin darf Superman in seiner Tarnidentität Clark Kent an seinen alten Arbeitsplatz zurückkehren. Rationale Gründe, warum der Daily Planet ihn zurück ins Boot holt, die gibt es eigentlich nicht, zumindest wenn wir den nicht existenten Output seiner bisherigen Reportertätigkeiten als Messlatte ansetzen. Aber ein alter Kollege ist soeben gestorben, also ist noch ein Schreibtisch frei. Nicht, dass Clark Kent den jemals benötigt …
Wenigstens fällt die Wiedereingliederung leicht. Noch immer weht Perry Whites sensationalistischer Spirit durch die Redaktionsräume des Daily Planet. Die Rückbesinnung auf journalistische Grundtugenden, wie sie von Perry White nach der Regentschaft des skrupellosen Geschäftsmannes und Populisten David Warfield in Superman IV – Die Welt am Abgrund ausgerufen wurde, hat niemals stattgefunden. „Drei Dinge“ dominieren die Berichterstattung des Daily Planet: „Tragödien, Sex und Superman“. Dessen erste Rettungstat nach fünf Jahren bringt Perry White (Frank Langella) in Wallung. Für den großen, blauen Pfadfinder krempelt er die komplette Blattplanung um.
Chefredakteur Perry White
verteilt Themen wie Marschbefehle
Sämtliche Ressorts werden von ihm in einer fulminanten Redaktionskonferenz auf Superman getrimmt. Jackie Cooper, der Perry White in den klassischen Superman-Filmen darstellte, und Frank Langella sind Brüder im Geiste. Doch während Cooper eher den väterlichen Redaktionsleiter verkörperte, ist Langellas White mehr der Typus Macher, mit klaren Vorstellungen und Anweisungen. Stakkato-artig verteilt er Themen wie Marschbefehle: „Reise: Wo war Superman? Klatsch: Welche Bekanntschaften hat er gemacht? Wirtschaft: Wie reagiert die Börse? Mode: Ist das ein neues Cape?“
Die Kolleg*innen strömen aus, nur Lois Lane wagt es, die Order ihres Chefs zu hinterfragen. Quasi mit dem Comeback des Superhelden kommt es zu einem enormen Spannungsverlust im Stromnetz der Megacity Metropolis. Dahinter steckt Lex Luthor (Kevin Spacey), der ebenfalls auf die Niederkunft Supermans reagiert und folgenschwer mit Kristallen aus der Festung der Einsamkeit experimentiert. „Die Story ist nicht Superman, sondern der Stromausfall“, entgegnet Lois Lane ihrem Boss. Da schwingt natürlich auch der Frust über die Zurückweisung Supermans mit, schließlich hatte der sie ohne jede Nachricht allein auf der Erde zurückgelassen. Letztendlich beweist sie jedoch das nötige Gespür für die wahre Nachrichtenlage.
Lois Lane zweifelt: Pulitzer-Preise, Oscars und der Fisch von morgen
Superman und Lois Lane wirken ihrer emotionalen Kluft entgegen, trotz ihrer Trennung über Lichtjahre hinweg, besitzt ihre Beziehung eine gemeinsame Basis. Zumal sich andeutet, dass die Menschheit doch auf einen Beschützer angewiesen ist. Unmittelbar vor ihrem großen Auftritt auf der Gala der Pulitzer-Preis-Verleihung kommen die Zweifel. Die Reporterin ist sich plötzlich nicht mehr sicher, inwieweit ihr Superman-Verriss noch Gültigkeit besitzt. Vertrauensvoll wendet sie sich an ihren Chefredakteur. Der versucht, ihre Bedenken beiseite zu wischen: „Pulitzer-Preise sind wie Oscars, keiner erinnert sich hinterher, wofür man ihn bekommen hat.“
Es ist das herrlich metaphysische Äquivalent zu jener Binsenweisheit, nach der „die Zeitung von heute mit dem Fisch von morgen eingerollt“ wird, und zwar aus dem Munde eines Darstellers, der bis dato in über 35 Jahren Schauspielerei ohne eine einzige Oscar-Nominierung auskommen musste (erst 2008 wurde Langella für seine Darstellung des ehemaligen US-Präsidenten Richard Nixon in Frost/Nixon nominiert, bis heute seine einzige „Oscar-Würde“). Gleichzeitig offenbart diese Beruhigungspille die publizistische Kurzsichtigkeit des Blattmachers. Scoops für die Ewigkeit sind für Perry White nebensächlich. Alles was zählt, sind die Verkaufszahlen im Hier und Jetzt.
Print’s not dead: Der Daily Planet ruled die Medienlandschaft
Dazu passt: Der Journalismus in Superman Returns ist – anders als in Superman IV – nur noch ein Spannungsfeld am Rande. Der mit fast 150 Minuten überlange Blockbuster steuert verbissen auf eine gewaltige CGI-Zerstörungsorgie zu. Allerdings lassen sich immer wieder Details beobachten, die etwas über das Verständnis vom Journalismus verraten. Interessant ist beispielsweise, wie gut es der Zeitung anno 2006 geht. Während sich in der echten Welt das Zeitungssterben beschleunigt, ist Print in Metropolis das unangefochtene Informationsmedium Nr. 1.
In einer Szene stehen Menschen dicht an dicht in einem Fahrstuhl, jeder einzelne Kopf in einer Ausgabe des Daily Planet vergraben. Auch den handelnden Personen geht es prächtig. Lois Lane lebt mit ihrem Freund Frank, ein ehemaliger Pilot und freier Redakteur, in einem monströsen Anwesen nebst eigener Landebahn. „Moment? 2006?“, werden aufmerksame Leser*innen an dieser Stelle einwerfen. Haben wir nicht zu Beginn festgestellt, dass die Handlung von Superman Returns fünf Jahre nach den Ereignissen von Superman II (1980) einsetzt? Hier haben wir es mit den Widersprüchlichkeiten einer indirekten Fortsetzung zu tun. Technisch ist die Welt in Superman Returns nämlich auf dem Stand seiner Entstehungszeit.
Die Rendite stimmte, aber die Erosion ist bereits wahrnehmbar
Hierzu gehören etwa Mobiltelefone, mit denen sich druckfähige Fotos schießen lassen. Perry White hält dem versammelten Fotopool den Schnappschuss des Tages vor: „Ein 12-Jähriger hat dieses Bild von Superman gemacht.“ Eine kleine, für die weitere Handlung unbedeutende Szene, die jedoch die Erosion realer Arbeitswelten im Journalismus andeutet: Konkret einen Zeitungsmarkt, der durch die digitale Fotografie und der damit einhergehenden Konkurrenz durch „mitfotografierende“ Journalist*innen und Bürgerreporter*innen für professionelle Fotograf*innen immer unattraktiver wird. Die Blicke von Fotoreporter Jimmy Olsen (Sam Huntington) lassen erahnen, dass er sich bereits auf schwierige Zeiten einstellt. Genugtuung für diesen Rüffel: Als Superman Passanten auf den Straßen Metropolis davor bewahrt, von der losgelösten Gallions-Weltkugel der Daily Planet erschlagen zu werden, ist Olsen mit der Kamera zur Stelle.
Eine grundsätzliche Herausforderung moderner Arbeit wird in der Figur der Lois Lane angedeutet. Positiv hervorzuheben ist, dass es Lois Lane nach ihrer Schwangerschaft offensichtlich gelungen ist, erfolgreich (und Vollzeit) an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren. Dennoch stellt sich die Frage nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Arbeitstage von Lois Lane enden spät. Zwar sie kann bei der Betreuung ihres Sohnes Jason auf die Unterstützung ihres Freundes Frank zählen. Dennoch verbringt der Spross viel Zeit im Verlag, eine Redaktions-Kita gibt es offensichtlich nicht.
Schön, aber unglaubwürdig: Die fetten Jahre des Daily Planet
Es ist also nicht alles Gold, was im pompösen Redaktionsgebäude von Metropolis wichtigstem Medium glänzt. Noch geht es der Daily Planet gut, Reichweite und Absatz stimmen. Das ist schön zu sehen, im Kontext der Entstehungszeit aber nicht sonderlich glaubwürdig. Schon Superman IV war da einen Schritt weiter. Den interessanteren, weil „realistischeren“ Ansatz verfolgt Zack Snyders Batman v Superman: Hier wird der Daily Planet mit seinem Bedeutungsverlust konfrontiert. Etwas, was in Superman Returns noch undenkbar scheint. Dabei liegt gerade in der Hybris große Gefahr.
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