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Krisenregion Palumbien: Auf den Spuren des Marsupilami (2013)

Auf den Spuren des Marsupilami ist ein klamaukiger Etikettenschwindel. In einer Hauptrolle: Ein TV-Journalist auf der Jagd nach Sensationen.

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Auf den Spuren des Marsupilami ist ein klamaukiger Etikettenschwindel. In einer Hauptrolle: Ein TV-Journalist auf der Jagd nach Sensationen.

Super RTL-Kids der 90er-Jahre wippen bei diesen Zeilen rhythmisch mit: „Marsupilami rennt wie wild durch seinen Dschungel, und er hat was zu erzählen, das wird Spaß machen. Huba!“ Huba? Eher Fubar.

Text: Patrick Torma. Bildmaterial: Senator Home Entertainment.

Dan Geraldo (Alain Chabat, auch Regie) hält sich für eine große Nummer. „Ich bin Journalist und in meinem Stamm genieße ich hohes Ansehen“, stellt er sich den Payas, einem sagenumwobenem Ureinwohner-Volk im Dschungel des fiktiven lateinamerikanischen Staates Palumbien, vor. Dabei kann Geraldo „nicht mal spucken“, wenn es darauf ankommt. Diagnose: Maßlose Selbstüberschätzung, Realitätsverlust, unaufgearbeiteter Vaterkomplex.

Seit 16 Jahren schon rennt der Reporter mit seiner V8 im Anschlag durch die Welt. Seine Sendung, die er nach seiner Kamera benannt hat, ist genauso hoffnungslos veraltet wie sein Equipment. „V8“ gehört zu den Top 5 der unrentabelsten Formate im Senderportfolio. Die Chefin stellt ihm ein letztes Ultimatum: Geraldo soll nach Palumbien reisen, dorthin, wo sein Stern einst aufging. Damals sorgte er mit seiner halsbrecherischen Krisenberichterstattung über die Revolutionswirren für Aufsehen. Inzwischen herrscht verhältnismäßige Ruhe in dem Land. Geraldo soll einen Enthüllungsbericht über die Payas liefern. Man sagt, dieses Naturvolk habe das Geheimnis für ein extra-langes Leben entdeckt.

Dan Geraldo (hier ordentlich weggetreten) hält sich für einen weltgewandten Krisenjournalisten. In Palumbien macht man ihm allerdings nicht den Hof ...
Dan Geraldo (hier ordentlich weggetreten) hält sich für einen weltgewandten Krisenjournalisten. In Palumbien macht man ihm allerdings nicht den Hof …

Dan Geraldo, ein Möchtegern-Reporter als Witzfigur

Das Problem: Dan Geraldo ist eine Luftpumpe. Sein Durchbruch als Reporter fußt auf einem großen Schwindel, die Jahre des Ruhms waren begünstigt durch den Einfluss seines reichen Daddys, aus dessen Schatten er bis heute nicht heraustreten konnte. Nach Palumbien reist er mit dem Habitus eines weltgewandten Abenteuers („Der Dschungel ist meine zweite Heimat“), doch schon bei der Ankunft stellt sich heraus: Geraldo ist ein heillos überforderter Westler, der von einem Fettnäpfchen ins nächste stolpert.

Was man ihm zugutehalten muss: Er ist nur eine Witzfigur unter vielen. Auf den Spuren des Marsupilami ist Slapstick mit der Lizenz zum Fremdschämen. Für einen Film, der sich primär an Kinder richtet, wirft er anno 2013 mit zu vielen Stereotypen um sich. Palumbien als eine quietschbunte Disney Land-Version einer Bananenrepublik darzustellen, geht noch halbwegs in Ordnung. Der Umgang mit den Ureinwohnern jedoch ist von einer kolonialistischen „von oben herab“-Haltung durchsetzt (Dan Geraldo tut sich hier besonders hervor). Natürlich ist alles exotisch überzeichnet. Grimassen, Fistelstimmen und andere Albernheiten runden das leidlich komische Gag-Repertoire ab. Absoluter Tiefpunkt ist ein Schoßhündchen, das sich am Ohr eines Protagonisten befriedigt. Dicht gefolgt von einem völlig deplatzierten Nazi-Witzchen: „Uncool? Meine Mutter war Putzfrau bei Hitler. Ich bin der Meister der Uncoolness!“ Wertevermittlung? Nada.

Huba? Marsupilami weiß nicht so recht, was er von diesem Etikettenschwindel halten soll ...
Huba? Marsupilami weiß nicht so recht, was er von diesem Etikettenschwindel halten soll …

Spurenelemente von Network und Marsupilami

Na ja, fast. Aufrichtigkeit bzw. deren permanente Abstinenz ist so etwas wie ein zentrales Motiv in diesem Film. Geraldos Fremdenführer, der schlitzohrige wie glücklose Pablito (Jamel Debouze), schlägt sich mit diversen Trickbetrügereien durchs Leben. Was ihm der Journalist ständig unter die Nase reibt, dabei ist Pablito ein Spiegel seiner selbst. Die Medien als Institution sind ohnehin stets verdächtig.

Die Chefetage in Geraldos Sender ist ein geldgieriges Konsortium im Elfenbeinturm, völlig entfremdet von der wirklichen Welt. Der Trailer für Geraldos televisionäres Endspiel ist ein reißerisches Schnittgewitter, voll und ganz auf Krawall und Quote getrimmt. Der journalistische Restfunke wird plattgewalzt von Werbe-Einspielern der Kosmetikmarke „L’Orein“. Das ist Medienkritik, die sich an Satiren wie Network heranwanzt.

Tatsächlich erinnert die Senderchefin Clarisse Iris (Aïssa Maïga) in ihrer hartherzigen Skrupellosigkeit an Faye Dunaways Figur in Sidney Lumets vielzitierten Klassiker. Was damals jedoch noch progressiv (eine Frau, die in einer Männerdomäne draufhaut) und prophetisch (die Boulevardisierung und Kommerzialisierung von Nachrichten) wirkte, kommt in Auf den Spuren des Marsupilami reichlich abgeschmackt daher.

Mal was Positives: Highlight des Films ist ein dressierter Nasenbär. Davon mehr - und Auf den Spuren von Marsupilami wäre vielleicht doch was für die ganze Familie geworden.
Mal was Positives: Highlight des Films ist ein dressierter Nasenbär. Davon mehr – und Auf den Spuren von Marsupilami wäre vielleicht doch was für die ganze Familie geworden.

Aufgepasst, gleich folgt ein Schwanz-Witz

Natürlich sind wir nicht hier, um tiefschürfende Einsichten in die Medienbranche zu erhaschen. Eigentlich wollen wir uns an den Späßen des titelgebenden CGI-Wesens erfreuen. Doch da liegt der Nasenbär im Pfeffer. Bis Marsupilami endlich einmal mehr als nur durchs Bild huschen darf, vergeht eine geschlagene Stunde auf der Uhr. Stattdessen belästigt uns der Film mit obskuren Subplots, die nicht auf den Punkt kommen wollen.

Neben Pablito und Dan Geraldo kommen uns die Quere: Ein verrückter Botaniker, der dem Geheimnis ewiger Jugend hinterher hechelt. Ein Diktator, der lieber für Celine Dion schwärmt als seinen Staatsgeschäften nachzugehen. Dazu: Dümmliche Militärs, gesichtstätowierte Wannabe-Gangster, riesige Knastis (Dalip Singh, besser bekannt unter seinem Wrestlernamen „The Great Khali“), vorlaute Waisenkinder … die Liste mit Nervfaktoren in diesem Film ist länger als Marsupilamis Schwanz. Reinster Etikettenschwindel.

Wenn wir wortklauben wollen: Auf den Spuren des Marsupilami enthält nur Spurenelemente der beliebten Comicfigur. So passt’s. Ändert beim besten Willen nichts an der Reisewarnung nach Palumbien.


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COMMENTS

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    Hey Patrick,
    da sehe ich (endlich) mal wieder einen Beitrag von dir und treffe auf diesen Artikel. Jetzt muss ich gestehen, dass ich den Trailer recht amüsant fand. Ein alberner Klamauk-Film, doch das Marsupilami sieht richtig übel aus und denke über die ganze Laufzeit nervt der “Humor”. Da ist der Asterix-Stil schnell entdeckt worden.

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