Abgetörnt von der neuen Frömmigkeit seiner Gattin, versucht Gerichtsreporter Strobel Christus' Auferstehung als schöne Geschichte zu entlarven.
Abgetörnt von der neuen Frömmigkeit seiner Gattin, versucht Gerichtsreporter Strobel Christus’ Auferstehung als schöne Geschichte zu entlarven.
Doch das Ergebnis seiner Recherchen fällt anders aus als erhofft. Nach einer Reihe von Interviews mit Apologeten läuft Strobel selbst zum Glauben über. Der Fall Jesus basiert auf dem gleichnamigen Buch des echten Lee Strobel und ist der erste christliche Journalistenfilm auf diesem Blog.
Text: Patrick Torma. Bildmaterial: EuroVideo Medien GmbH.
Lee Strobel (Mike Vogel) ist ein Ass in den Reihen der Chicago Tribune. Die Siebziger haben soeben den Achtzigern das Feld überlassen und Strobel wird für seine Berichterstattung über die Ford Pinto-Prozesse mit dem „Gedenkpreis für gesellschaftlich relevanten Journalismus“ ausgezeichnet. Der Gerichtsreporter fühlt sich einzig und allein den Fakten verpflichtet. Denn Fakten, das betont Strobel in seiner kleinen Dankesrede feierlich, vermögen Lügen zu demaskieren, Wahrheiten aufzudecken und Tyrannen zu stürzen. Über seinem Kopf prangt ein Banner mit dem Redaktionscredo: „Wenn deine Mutter sagt, dass sie dich liebt, dann prüfe es nach!“
Eines Tages stellt ausgerechnet der Sohn Gottes den knallharten Rechercheur auf die harte Probe. Nachdem Töchterchen Alison im Restaurant durch einen unergründlichen Zufall – eine Kinderkrankenschwester, deren Mann ursprünglich ein anderes Speiselokal ausprobieren wollte, greift beherzt ein – vor dem Erstickungstod gerettet wird, öffnet sich Lees Frau dem christlichen Glauben. Leslie Strobel verbringt ihre Zeit daheim fortan mit dem Studium von Bibelversen. In der Hoffnung, seine Gattin aus den Fängen der Religion zurückzugewinnen, macht er sich auf, die Auferstehung Jesu als zentrales Element christlicher Existenz faktisch in die Mangel zu nehmen.
Die wahre Geschichte von Lee Strobel
Der Film erzählt die Geschichte des echten Lee Strobel, der durch seine ursprünglich skeptisch motivierten Recherchen die Erleuchtung fand, der aus dem Journalismus ausstieg und zwischenzeitlich als lehrender Pastor an einer Megachurch predigte und heute von seinem Schaffen als Autor und Moderator missionarischer Formate lebt. The Case of Christ – hierzulande als Der Fall Jesus – Ein Journalist auf der Suche nach Wahrheit bekannt – ist sein berühmtestes Werk und die Grundlage für den gleichnamigen Film, welcher in christlichen Medien wie ein cineastischer Heiland empfangen wurde. „Hören sie auch oft die gleichen Argumente, mit denen Menschen die Existenz Gottes weit von sich schieben? Das Highlight des Jahres und der teuerste Film, den Bibel TV je im Programm hatte“, warb etwa Bibel TV anlässlich der deutschen Erstausstrahlung am ersten Weihnachtsfeiertag. Nicht auszumalen, was gewesen wäre, hätten die Senderverantwortlichen bis Ostern warten müssen. Sie wären vermutlich vor Vorfreude geplatzt.
Es ist aber auch ein cleverer Schachzug, einen Journalisten, einen Mann der Wahrheit, gegen das schwer Widerlegbare ins Felde zu führen. Journalisten gehören, allen Vertrauensproblemen zum Trotz, immer noch zur Kaste der Glaubwürdigkeit. Ein Kniff, der in Filmen gerne dann zur Anwendung kommt, wenn es darum geht, das Unfassbare greifbar zu machen. Sei es das unvorstellbare Leid einer Bevölkerung in einem Land wie Kambodscha (The Killing Fields) oder die Jagd nach dem übernatürlichen Mottenmann (The Mothman Prophecies) – ein Journalist in Heldenfunktion bürgt für den Wahrheitsgehalt der Geschichte. Hinzu kommt: Wir haben es in Der Fall Jesus nicht mit einem kleinen Lokalschreiber vom Lande zu tun. Sondern mit einem preisgekrönten Reporter der Chicago Tribune – eine Zeitung mit immerhin 24 Pulitzer-Preisen am Revers.
Einseitige Beweisführung
Der Film verkauft uns Lee Strobel zu Beginn als investigativen Wadenbeißer. Das Problem: Sobald wir den Reporter in der Ausübung journalistischer Tätigkeiten begleiten, entpuppt sich Lee als Luftpumpe. Vorweg, wer es aus diesen Zeilen noch nicht heraus gelesen hat: Ich bin Atheist und halte die im Film vorgetragene Beweisführung für schwach, denn sie beruht auf dem schwer haltbaren Syllogismus. „Es gibt keine endgültigen Beweise gegen die Auferstehung. Was nicht zu widerlegen ist, ist wahr. Demnach ist die Auferstehung wahr.“ Gleichwohl mache ich die mangelnde Glaubwürdigkeit der Figur nicht nur an der fundamentalen Beweisführung fest. So wie uns Der Fall Jesus Lee Strobel präsentiert, ist er schlichtweg kein guter Journalist.
Das fängt bei der Wahl seiner Gesprächspartner an: Strobel geht zwar interdisziplinär an die Sache heran und zieht sowohl Geistes- als auch Naturwissenschaftler zu Rate. Zu seinen Gesprächspartnern gehören ein Philosoph, ein Historiker sowie ein Mediziner. Allen ist gemein, dass sie Apologeten sind, die aus den unterschiedlichen, persönlichen Gründen an die Wahr- und/oder Sinnhaftigkeit Gottes glauben. Bis heute werfen Kritiker dem echten Strobel vor, dass er seine Experten zu einseitig auswähle.
Redaktionelle Ressourcen zweckentfremdet
Lediglich die von Faye Dunaway (Network) gespielte Psychologin erweist sich als Agnostikerin. Sie darf die Theorie von der Massenpsychose als Grundlage der Auferstehungsgeschichte (immerhin recht schlüssig) entkräften, bringt aber in erster Linie Strobels höchst fragwürdige Motivation ins Wanken: Schließlich sehen wir einem Mann dabei zu, wie er seiner liebenden Frau mit aller Macht den sinngebenden Halt zu rauben versucht und aus diesem egoistischen Antrieb heraus redaktionelle Ressourcen missbraucht. Und das von einem, der zuvor noch für seinen gesellschaftlich relevanten Journalismus ausgezeichnet wurde.
Lee Strobel geht diesen Recherchen während seiner Arbeitszeit nach. Er fährt meilenweit durch das Land (einmal sogar von Chicago bis Kalifornien), setzt womöglich noch Kilometer und Spesen ab, ohne dass dies von der Redaktion abgesegnet wäre. Im Gegenteil: Als Lee Strobel am Ende seinem Chefredakteur die Fabel von dem Journalisten anbietet, der auszog, um die Wahrheit zu suchen und die Erkenntnis fand, reagiert der Blattchef konsterniert. So etwas könne er nicht drucken. Und zwar nicht, weil die Tribune nicht konservativ genug wäre. Sondern, weil die Geschichte völlig unjournalistisch ist.
Faktenreiter ohne Fakten angeritten
Strobel gibt vor, sämtliche Literatur zu Thema gewälzt zu haben. Den Argumenten der Gläubigen begegnet er allerdings nur mit skeptischem Geseier aus dem Philosophie-Grundkurs. Der Faktenreiter reitet ohne Fakten daher. Dabei bietet die Beweisführung reichlich Einfallstore, einladend wie prächtige Kirchenportale: Die Apologeten hängen die Auferstehung vor allem an dem leeren Grab auf. Dass das Neue Testament den eigentlichen Vorgang der Auferstehung nicht zu beschreiben weiß, sondern nur als beobachtete Tat voraussetzt; dass bis heute wissenschaftlich nicht belegt ist, in welchem Felsgrab der Sohn Gottes gebettet wurde; die Tatsache, dass 500 Zeugen die Auferstehung gesehen haben wollen, diese Zeugenaussagen aber lediglich von Jüngern wie Paulus bezeugt wurden, alle diese Gelegenheiten zum Dazwischengrätschen nimmt der Journalisten nicht wahr.
Stattdessen lässt er sich von pseudowissenschaftlichen Fakten einlullen. Ein Archäologe leitet den Wahrheitsgehalt tatsächlich von der Anzahl der Abschriften der Evangelien ab. 5.000 Exemplare seien belegt. Von den Werken Aristoteles hingegen nur sieben. Dass der griechische Denker ein paar Jährchen vor Christus lebte, und Jesus’ Gefolgsleute ein gesteigertes, missionarisches Interesse hatten, das Wort Gottes zu verbreiten – geschenkt. Und nur weil eine Geschichte über Gebühr verbreitet wird, muss sich sie noch lange nicht wahr sein. Man frage nach im post-faktischen Zeitalter.
“Jesus, Du hast gewonnen!”
Bei aller atheistischen Nächstenliebe: Wer angesichts dieser „Faktenlage“ vor der Indizienwand einknickt und „Jesus, Du hast gewonnen“ raunt, der war schon vorher empfänglich für religiöse Anwandlungen. So verhält es sich auch mit der Wirkung des Films. Der Fall Jesus ist für eine bestimmte Zielgruppe gedreht worden, mit dem Ziel vorhandenes Gottvertrauen weiter zu vertiefen. Dabei sind angesichts der hanebüchenen Nebenhandlung arge Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit des Protagonisten angebracht.
Parallel zeigt der Film, wie Lee Strobel über einen vermeintlichen Angriff auf einen Polizisten berichtet. Der Tatverdächtige ist ein Afroamerikaner. Der Journalist verlässt sich zu sehr auf offizielle Verlautbarungen und Vorannahmen. Es kommt, wie es kommen soll: Er urteilt vorschnell, wegen seiner Berichterstattung in der Zeitung wird der Mann zu Unrecht ins Gefängnis verfrachtet und zu allem Überfluss von Mitinsassen halbtot geprügelt. Klar, welche Botschaft sich hinter diesem konstruierten Gleichnis verbirgt: Wer die Augen verschließt, kann die Wahrheit nicht sehen. Man könnte aber auch schlussfolgern: Wer blind ist, schlampig recherchiert und sich von Nebelkerzen einräuchern lässt, dem ist nicht mehr zu helfen. Das ist das Schöne an der Bibel: Alles Auslegungssache.
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