Bildhauer Badulescu steht in Kochendes Blut vor der Vollendung seines Opus magnum. Ein Journalist kommt hinter das schaurige Geheimnis.
Bildhauer Badulescu steht in Kochendes Blut vor der Vollendung seines Opus magnum. Ein Journalist kommt hinter das schaurige Geheimnis.
Für einen Sommer ist die andalusische Costa del Sol das Mekka der Kunstszene: Der berühmte Bildhauer Franz Badulescu (Boris Karloff) steht in Kochendes Blut kurz vor der Vollendung seines Opus magnum. Der Journalist Claude Marchand (Jean-Pierre Aumont) erhält von seinem Verleger den Auftrag, den blinden Maestro zu interviewen. Er kommt hinter das schaurige Geheimnis von Badulescus Schaffen…
Text: Patrick Torma. Bildmaterial: Castle View Film / AL!VE
Ein Flughafen, irgendwo in Frankreich. Die Frisur hält. Claude Marchand steigt aus einer Pan Am-Maschine. Der Journalist sieht aus, wie man(n) nach einem Interkontinentalflug so aussieht: Braun gebrannt und sonnenbebrillt, wohl frisiert und extravagant gekleidet. Noch am Gangway wird er von einem Flughafenmitarbeiter abgepasst. Sind Sie Claude Marchant, der Journalist? Dann bitte am Terminal melden.
Dort eröffnet ihm die hübsche Airport-Hostess, dass schon der nächste Auftrag auf ihn wartet. Der Verleger hat ihm ein Ticket zur Weiterreise nach Malaga hinterlegt – Marchand soll in einem beschaulichen Strandort an der spanischen Küste den angesagten Altmeister Franz Badulescu treffen. Badulescu ist für seine Modelle berühmter Gemälde bekannt, „er übertragt die Arbeiten der großen Meister in die dritte Dimension“, heißt es über ihn. Das Besondere: Der Objektkünstler ist seit einem Unfall vor einigen Jahren gebrechlich und blind, was ironischerweise seinen Marktwert gesteigert hat. Auf seine alten Tage ist Badulescu nochmal so etwas wie ein Shootingstar. Dass er den Ruhm unter diesen Bedingungen nicht zu genießen weiß, ist nur nachvollziehbar: „Ich bin verdammt wie Beethoven. Ich werde die Schönheit meiner Werke nie zu sehen bekommen“, klagt der unglückselige Skulpteur.
Was Claude Marchand mit
James Bond gemein hat
Claude Marchand seufzt angesichts seines ach so schweren Jetset-Lebens, nimmt die ihm zugetragene Aufgabe letztlich aber an. „Diesen Service kann man nicht ablehnen“, meint der Reporter und fasst der Dame am Schalter mit der Nonchalance eines Sugar Daddys ans Kinn. Marchand kommt daher wie der James Bond unter den Journalisten. Ein weltgewandtes Multitalent. Nie um einen eitlen Spruch verlegen, ist Marchand nicht nur Reporter, sondern auch Fotograf und Pilot, Lebemann und Lustmolch.
Wäre Leben und sterben lassen nicht erst drei Jahre später erschienen, man könnte meinen, Jean-Pierre Aumont imitiere Roger Moore. Blendet man ihre Professionen aus, sind beide Figuren ähnlich angelegt; charakterlich, aber auch äußerlich: Claude Marchand ist ein alternder Dandy, der hart entlang der Schwelle zwischen Gentleman und Chauvi chargiert. Tatsächlich ist Aumont, der französische Filmstar und ewige Schönling, zum Zeitpunkt der Dreharbeiten 1967 Ende 50. Aus heutiger Sicht wirkt Marchand wie ein Fossil.
Ein Stümper, von Karloff enttarnt
Damals hatte dieser Typus noch Freigang. Ob er damals schon noch zur heldenhaften Identifikationsfigur taugte, sei dahingestellt; heute ist es jedenfalls nur noch schwer vorstellbar. Darüber hinaus betreibt Claude Marchand ganz sicher keine Werbung für den Berufsstand. Im roten Cabriolet fährt er vor, um den Einheimischen erstmal brühwarm vorzuhalten, wie unfähig sie doch seien. Diese Goldgrube von einem Badeort, die müsse man doch touristisch an den Start bringen. Erst recht mit einem Badulescu als Maskottchen. Mit Shanghai, dem Betreiber der örtlichen Spelunke, plant er, zwei Strandabschnitte zu erwerben und gewinnbringend zu bewirtschaften. „Und den Badulescu, den können wir richtig gut vermarkten“, raunt der PR-Profi seinem neuen Komplizen zu.
Entlarvt wird Claude Marchand ausgerechnet von einem fast 80-jährigen Boris Karloff. Die gesundheitlich gezeichnete Horrorikone (u.a. Universals Frankenstein) schauspielert, von wenigen Humpeleien abgesehen, aus einem Rollstuhl heraus, die getönte Schweißerbrille auf der Nase ließe Puck, die Stubenfliege, vor Neid erblassen. Eigentlich zieht Franz Badulescu die schöpferische Einsamkeit vor, seine Frau Tania (Viveca Lindfors) allerdings schmiedet Publicity-Pläne und hat das Interview eingefädelt. Marchand trägt offen zur Schau, dass er gänzlich unvorbereitet aufkreuzt und steigt gleich mit einem Gerücht ein, das er irgendwann mal aufgeschnappt hat. Karloff, ganz Elder Statesman, schmeichelt die Amateurhaftigkeit seines Gesprächspartners weg*: „Sie haben sich hervorragend vorbereitet. Ich fühle mich geehrt.“
[* Ähnlich elegant mit unliebsamen Pressevertretern verfuhr auch der zweite große Star der Universal-Horror-Ära: Bela Lugosi – in The Devil Bat.]
Der Journalist als Story-Vehikel
Kochendes Blut ist ein gutes Beispiel dafür, dass Journalisten in Filmen oftmals nichts weiter als Vehikel sind. Aufgrund ihrer natürlichen Neugier sind sie prädestiniert, den Stein ins Rollen zu bringen. Auslöser ist häufig ein Rechercheauftrag, der im weiteren Verlauf der Handlung allerdings absolut nebensächlich wird. Gleiches gilt für das eigentliche Journalist-Sein; wir beobachten den Reporter kaum bei der Ausübung journalistischer Tätigkeiten. Wir sehen Marchand zwar dabei zu, wie er mit der Kamera im Anschlag hantiert. Doch letztlich ist die Knipserei nur Maskerade. Seine Rolle als Fotograf erlaubt es ihm, seine spannerhaften Tendenzen ungeniert auszuleben. Seine Profession ist insofern nur von Belang, als dass sie die Steilvorlage für eine halbwegs glaubwürdige Prämisse liefert.
Man stelle sich vor, ein Film wie Kochendes Blut käme mit einen Handwerker in der Hauptrolle daher; mit einem Klempner zum Beispiel, der aufgrund eines sanitären Notfalls in die Villa des Bildhauers gerufen wird und im Zuge seiner Inspektion auf modrige Leichenteile im verstopften Toilettenabfluss stößt (um endlich mal zum Clou des Films zu gelangen). Ganz ehrlich: Eine derartige Berufswahl funktioniert doch nur in handlungsgetriebenen Pornos, die die Fantasie ihrer Allerweltszuschauer beflügeln; mit Abstrichen vielleicht noch in drittklassigen Videospielverfilmungen. Nicht aber in biederen Euro-Trash-Horrorschinken.
Denn das – bitte gehen Sie weiter, es gibt nichts zu sehen – ist Kochendes Blut: Ein stümpferhaft heruntergekurbelter House of Wax-Klon, der irrigerweise, nachdem der Film bereits im Kasten war, drei lange Jahre in der Produktionshölle schmorte. Die Sorte Horrorfilm, die in Richtung Giallo tendiert und blonde, schauspielerisch semi-talentierte Damen des Nächtens durch das Gestrüpp nach Hause staksen lässt. Bemerkenswert sind allerhöchstens ein, zwei psychodelische (Alp-)Traumsequenzen und die wohl erbärmlichste Kostümparty, die je auf Zelluloid gebannt wurde – Polonaise inklusive. Traurig hingegen ist der Abgang Karloffs, der im Finale unbeholfen zu Tode stürzt. Irgendwie sinnbildlich für die letzten Jahre seiner Karriere, die ihn bis in den Sumpf mexikanischer Billigheimer führte. Immerhin: Kochendes Blut musste die Legende, die im Februar 1969 verstarb, nicht mehr mit ansehen.
Mehr Horrorfilme:
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Kochendes Blut ist ein ziemlicher Heuler. Karloff-Komplettisten (hab ihn seelig) und schmerzlose Allesgucker greifen zu. Wenn schon, denn schon: Dann bitte über diesen Link*.
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