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Richard Thornburg aus Stirb langsam 1 + 2 (1988/1990)

John McClane hat es nicht leicht: Nicht nur, dass er sich mit Terroristen herumschlagen muss. Auch ein Journalist kommt ihm in die Quere.

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John McClane hat es nicht leicht: Nicht nur, dass er sich mit Terroristen herumschlagen muss. Auch ein Journalist kommt ihm in die Quere.

Und das gleich doppelt. In zwei Filmen führt der Betroffenheitsjournalismus des karrieregeilen Reporters Richard Thornburg in die Eskalation. Sehr zur Freude des Publikums. Yippie kay yay und frohe Weihnachten – mit Stirb langsam 1 & 2 aus journalistischer Perspektive.

Text: Patrick Torma. Bildmaterial: 20th Century Fox.

Der New Yorker Polizist John McClane (Bruce Willis) reist über die Feiertage nach Los Angeles, wo seine Frau mit den gemeinsamen Kindern lebt. Holly McClane (Bonnie Bedelia) arbeitet dort seit einem halben Jahr recht erfolgreich für die Nakatomi-Corporation. Sehr zum Verdruss von John, der insgeheim gehofft hatte, dass sich das berufliche Engagement seiner Gattin als ein kurzes Intermezzo entpuppt. Stattdessen droht die räumliche Trennung das Paar gefühlsmäßig zu entzweien. Deutlichstes Warnsignal: Beruflich tritt Holly bereits mit ihrem Geburtsnamen Gennaro auf.

Der Kinder wegen soll es zu Weihnachten eine familiäre Reunion geben. John McClane wird von seiner Noch-Frau auf der Weihnachtsfeier ihrer Firma empfangen, wohl auch, damit der mal aus erster Hand erfährt, welchen Stellenwert sie sich innerhalb kürzester Zeit erarbeitet hat. Die Festtagsstimmung wird jäh unterbrochen, als eine europäische Terroristengruppe, angeführt vom distinguierten Hans Gruber (Alan Rickman), das Bürohochhaus entert. Die Aktivisten haben es auf Firmenwerte abgesehen, die im Hochsicherheitstresor der Nakatomi-Corporation schlummern. Also kappen sie alle Leitungen. Von der Außenwelt abgeschnitten, bleibt John McClance keine andere Wahl, als es mit der gesamten Bande aufzunehmen.

Type-Casting at it's best. Ob in Ghostbusters oder Stirb langsam: William Atherton brilliert in der Rolle des feigen Schurken.
Type-Casting at it’s best. Ob in Ghostbusters oder Stirb langsam: William Atherton brilliert in der Rolle des feigen Schurken.

Die Ghostbusters ebnen Richard Thornburg den Weg

In einem örtlichen Sender hört derweil der Journalist Richard Thornburg den Polizeifunk ab. Gespielt wird Thornburg von William Atherton, der seine Karriere einer weiteren Großkotz-Rolle verdankt: 1984 fällt er in Ghostbusters als uneinsichtiger Bürokrat Walter Peck auf, der die Geisterjäger in eine psychiatrische Anstalt einliefern lässt. Mit seiner perfekt gespielten Arschloch-Attitüde ist Atherton eine Idealbesetzung. Allerdings: Mit dem Part des impertinenten Journalisten Thornburg ist er endgültig auf den Rollentypus des feigen Schurken festgelegt. Rückblickend ein Glücksfall* – wer kann schon von sich behaupten, in zwei der beliebtesten Filmreihen aller Zeiten mitgespielt zu haben?

* In der Doku-Serie That Movies that made us macht Willam Atherton jedenfalls einen zufriedenen (und überraschend sympathischen) Eindruck. Staffel 1 der Netflix-Produktion widmet sowohl Ghostbusters als auch Stirb langsam je eine Episode.

Schon der erste Satz in Stirb langsam setzt den Ton für die kommende Thornburg-Show. „Ich kann uns einen Tisch besorgen. Und zwar den besten“, schleimt der Fernsehreporter am Telefon, als via Funk Gerüchte über eine Geiselnahme im Nakatomi-Tower die Runde machen. Thornburg wittert Blut, doch im Sender will man seinen Enthusiasmus nicht sofort teilen. Es scheint, als hätte sich der Möchtegern-Star-Reporter schon das eine oder andere mal vergaloppiert. Aber dieses Mal ist die Story zu heiß, als dass sich Thornburg aufhalten ließe: „Wenn Du mir keinen Ü-Wagen geben willst, klaue ich mir einen“, herrscht er seinen Aufnahmeleiter an.

Wie Sie sehen, wissen wir nichts. Kaum ist die Nachricht über den Ticker gegangen, da gehen schon die Spekulationen los.
Wie Sie sehen, wissen wir nichts. Kaum ist die Nachricht über den Ticker gegangen, da gehen schon die Spekulationen los.

Die Presse als Inbegriff eines Störfaktors

Vor Ort – die Polizei ist dank McClane doch endlich mal eingetroffen und bereitet sich auf einen hilflosen Zugriff vor – haben sie auf einen wie Thornburg schon gewartet. „Das Fernsehen ist bereits da!“ – „Oh, Scheiße!“, entfährt es dem verantwortlichen Einsatzleiter. Die Presse ist Stirb langsam der Inbegriff eines Störfaktors. Ein öffentliches Interesse zu stillen, das ist ja schön und wichtig. Nur belassen es die Medien nicht dabei: Sie backen bereits fleißig Spekulatius. Noch ist nicht geklärt, was in dem Hochhaus vor sich geht, da werden schon die Experten vor die Kamera gezerrt. Ein Psychologe ist überzeugt, dass die Geiseln im Hochhaus just in diesem Moment die ersten Stadien des „Helsinki-Syndroms“ durchlaufen – jenes Phänomen, bei dem Entführte eine emotionale Bindung zu ihren Geiselnehmer entwickeln, und das eigentlich Stockholm-Syndrom heißt. Weshalb der Moderator ins Schlingern gerät: „Helsinki? Wie Helsinki in Schweden?“ – „Nein, wie in Finnland“, klärt der selbsternannte Fachmann auf.**

** Kleine Netz-Anekdote: Die deutsche Wikipedia notiert zum Begriff Stockholm-Syndrom: „Fälschlicherweise wird das Stockholm-Syndrom manchmal auch als Helsinki-Syndrom bezeichnet (z.B. in den Filmen Stirb langsam, Knockin’ on Heaven’s Door).“ Da hat jemand den Witz nicht verstanden.

Thornburg läuft indes zur Hochform auf. Über-ehrgeizig, theatralisch, mit Gier und Geifer, hält er die Ereignisse der Nacht für die Nachwelt fest: „Seit heute Abend befindet sich L.A. in der Gesellschaft jener Städte, die eines gemeinsam haben: Sie leiden unter dem Schrecken des Terrorismus“, flötet der Vor-Ort-Reporter ins Mikrofon. Echte Fakten vermag er nicht zu präsentieren. Gut, dass alle paar Minuten etwas explodiert. Sag mir, dass Du das hast!“, kreischt er seinem Kameramann ins Gesicht – diese Catchphrase ist das auditiv wahrnehmbare Äquivalent eines Ständers.

Kurz vor dem Knall: Die McClanes sind noch nicht mal erstversorgt, da wanzt sich Thornburg an sie heran. Keine gute Idee ...
Kurz vor dem Knall: Die McClanes sind noch nicht mal erstversorgt, da wanzt sich Thornburg an sie heran. Keine gute Idee …

Der Journalist – für einen Moment schlimmer als die Terroristen

Formschöne Feuerbälle sind gut für die Quote. Sie erklären aber immer noch nicht, was dort oben, über den Dächern von Los Angeles, wirklich passiert. Also tut Thornburg, was ein Sensationsjournalist eben so tut, wenn die Fakten ausbleiben: Er zerrt betroffene Angehörige vor die Kamera. In diesem Fall ein kleines Mädchen, das sich um beide Elternteile sorgt – womit die Verbindung zwischen Mr. McClane und Miss Gennaro enttarnt ist und sich die Situation im Hochhaus zuspitzt. Denn Terror-Gruber besitzt nun ein zusätzliches Druckmittel – das größere Monster in diesem Moment ist jedoch Richard Thornburg. Zur Katharsis von Teil 1 gehört deswegen auch der Faustschlag, mit dem Mama McClane den Journalisten niederstreckt.

Richard Thornburg spielt in McTiernans Stirb langsam eine vergleichsweise kleine Rolle, als Gegenspieler aber hinterlässt er definitiv Eindruck. Weshalb die Figur in der direkten Fortsetzung Stirb langsam 2 (diesmal unter der Regie von Renny Harlin) ein Comeback feiern und noch größeren Mist verzapfen darf. Dieses Weihnachten legen Terroristen einen Flughafen in Washington lahm. Weil draußen der Schneesturm des Jahrhunderts tobt und sich kein Ausweichflughafen anflugbereit meldet, hängt ein Dutzend Passagierflugzeuge wortwörtlich in der Luft. In einem der Flieger sitzt Richard Thornburg. Der kotzt zum Einstieg gleich mal ab, weil ihm die Flugbegleitung einen Platz in der Business Class verwehrt und er stattdessen mit der Economy vorliebnehmen muss: „Das ist ja wie im Viehwagen hier!“

Kaum wittert Thornburg Blut, steht schon die Verbindung ins Studio. Hier sehen wir ihn bei einer Live-Schalte aus der Flugzeug-Toilette.

Richard Thornburg spielt mit der Angst der Menschen

Zu allem Überfluss teilt er sich die Holzklasse mit Holly McClane, die noch nicht ahnt, dass ihr Göttergatte unten am Boden erneut zwischen die Fronten böser Buben und renitenter Sicherheitskräfte geraten ist. Der Knockout aus dem Finale von Teil 1 wirkt jedenfalls nach, Thornburg hat eine Abstandsklage gegenüber Frau McClane erwirkt, die sich jetzt, mehrere tausend Fuß über der Erde, natürlich nur schlecht einhalten lässt. Für einige Minuten Spielzeit arrangieren sich die beiden, der Reporter lässt sogar einen kurzen Einblick in sein Berufsethos zu: „Das ist meine Stärke. Ich registriere ungewöhnliche Dinge. […] Ich mache die Menschen neugierig. Jeder Mensch hat das Recht, alles über andere Menschen zu erfahren.“ Holly McClanes Einwand, seine sensationsheischende Berichterstattung schüre lediglich Ängste, lässt er selbstverständlich nicht gelten. Schließlich hat Thornburg schon die Witterung für seinen nächsten Scoop aufgenommen.

Dass sich die Landung auf unbestimmte Zeit verschiebt, hat unseren Schnellmerker vom Dienst hellhörig gemacht. Es gelingt ihm, einige Fetzen Funkverkehr aufzuschnappen, die von der prekären Situation am Airport zeugen. Den Pulitzer-Preis vor Augen, startet Thornburg noch aus der Bordtoilette heraus eine Live-Schalte. Wieder sind aufgebauschte Mutmaßungen die Basis seines Berichts – wobei sich die grundsätzliche Gefahrenlage nicht mehr länger verschweigen lässt. Wenige Minuten zuvor haben die Terroristen eine Maschine auf der dunklen Landebahn zerschellen lassen.

Nicht zu berichten, ist keine natürlich keine Option. Richard Thornburg geht es allerdings allein um seine Karriere. Pulitzer, wo bist Du?
Nicht zu berichten, ist keine natürlich keine Option. Richard Thornburg geht es allerdings allein um seine Karriere. Pulitzer, wo bist Du?

Eine Berichterstattung ohne Rücksicht auf Verluste

Darüber nicht zu berichten, ist keine Option. Richard Thornburgs geht es dabei allerdings allein um seine Reputation. „Das wird mein Durchbruch!“, ist er überzeugt. Berichterstattung ohne Rücksicht auf Verluste. Nachrichten in akuten Krisen- und Notfallsituationen sind immer ein Drahtseilakt (siehe beispielsweise Das Geiseldrama von Gladbeck), der durch die Möglichkeiten der Echtzeit-Kommunikation in den Sozialen Medien zusätzlich erschwert wird – sei es durch twitternde Augenzeugen, politisch motivierte Agitatoren oder aber den auferlegten Veröffentlichungsdruck. In Stirb langsam 2 verursacht der Journalist mit seinem Live-Bericht eine Massenpanik, die für zusätzliche Gefahr sorgt und die Arbeit der Sicherheitskräfte behindert.

Am Ende schlittert Richard Thornburg meilenweit an den Meriten vorbei. Noch während seiner „Sternstunde“ auf der Bordtoilette wird er von Holly McClane mit dem Taser einer alten Dame außer Gefecht gesetzt und ganz jämmerlich über die Rettungsrutsche aus dem Flugzeug befördert. Ein Schlusspunkt wie gehabt? Nicht ganz. Thornburgs Karriere scheint diesmal endgültig vorbei, zumindest taucht die Figur in keinem der drei weiteren Nachfolger auf. Hinzu kommt: Allen Demütigungen zum Trotz schließt Stirb langsam 2 die Medien versöhnlich in die Arme. Zumindest ein bisschen.

Samantha Coleman (Sheila McCarthy) gibt in Stirb langsam 2 den Gegenpol zu Richard Thornburg. Am Ende des Films schließen wir die Medien wieder in die Arme. Zumindest ein bisschen.

Samantha Coleman – Gegenentwurf zu Richard Thornburg

Mit der Journalistin Samantha Coleman (Sheila McCarthy) präsentiert der Film einen Gegenentwurf zu Richard Thornburg. Auch wenn sie zunächst wie eine Kopie eingeführt wird: als hartnäckige, aber nervige Interviewerin, die den Ermittlungen im Wege steht. Doch schon bald stellt sich heraus, dass Coleman – im Gegensatz zu ihrem männlichen Kollegen – keine Schaumschlägerin ist. Sie verlässt sich nicht bloß auf Hörensagen, sondern geht den Dingen auf den Grund, erweist sich als kombinationssichere Rechercheurin. Ihren Job allerdings darf sie nicht wirklich ausüben. Das Drehbuch lässt ihr keine journalistischen Freiheiten, Coleman verbleibt in dem schwierigen Schwebezustand, der im ersten Stirb langsam etabliert wurde: Zwar ist es ihre berufliche Pflicht, über die Vorgänge am Flughafen zu berichten, um diese seriös einzuordnen, fehlen ihr jedoch entscheidende Informationen. Alles, was sie in dieser Nachrichtenlage über den Äther schicken könnte, hätte den selben panikerzeugenden Effekt wie Thornburgs Live-Schalte vom Lokus.

Der Journalismus als institutionelle Instanz bleibt so für den Fortgang der Geschichte irrelevant. Von der Figur profitiert in erster Linie das Setup des Films: Die Einführung einer zusätzlichen Journalistenfigur, die John McClane auf Anhieb am Flughafen erkennt, soll uns Zuschauern verdeutlichen, welche Auswirkungen die folgenschwere Nacht in Teil 1 auf den Bekanntheitsgrad unseres Protagonisten hatte. McClane ist ein Nationalheld, ein Popstar. Weshalb Samantha ganz aus dem Häuschen ist, als sie McClane zum Ende hin unter die Arme greifen darf: „McClane – wenn ich die Story von Ihnen bekomme, dann von mir aus auch ein Baby.“ Doch auch hier fällt auf: McClane wendet sich nicht etwa an Coleman, weil sie beispielsweise öffentlichen Druck erzeugen könnte. Sondern weil ihre Crew mit einem einsatzbereiten Hubschrauber aufwarten kann.

“Das ist ein Happy End. Das geht uns nichts an!”

Dank John McClane sitzen Coleman und ihr Team bei der finalen Verfolgungsjagd in der ersten Reihe. Im Austausch für die spektakulären Bilder erhalten die McClanes ihre Privatsphäre zurück. Während sich die McClanes erleichtert um den Hals fallen, pfeift Coleman ihren Kameramann zurück. Statt „Sag mir, dass Du das hastheißt es diesmal: „Das ist ein Happy End, das geht uns nichts an.“ Zoom-out und Abblende. Weihnachten ist gerettet. Was bleibt, ist das Andenken an den größten journalistischen Querschläger des Action-Kinos: Richard Thornburg, Du alte Schweinebacke.


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