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Sieben Tage bis zur Deadline: Rachel Keller in The Ring (2002)

In The Ring macht ein Todesvideo die Runde. Die Journalistin Rachel Keller geht diesem urbanen Mythos auf den Grund.                                 

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In The Ring macht ein Todesvideo die Runde. Die Journalistin Rachel Keller geht diesem urbanen Mythos auf den Grund.                                                                                

Damals war die Welt noch analog. Kein viraler Videoclip, sondern ein abgenudeltes Tape sorgt in The Ring für Schrecken in der Jugendszene. Derjenige, der es abspielt und betrachtet, soll innerhalb von sieben Tagen das Zeitliche segnen. Als ihre Nichte Katie einem plötzlichen Herztod erliegt, geht die Journalistin Rachel Keller (Naomi Watts) diesem urbanen Mythos auf den Grund. Und das wortwörtlich.

Text: Patrick Torma. Bildmaterial: DreamWorks Pictures.

Rachel Keller ist eine dieser Frauen, die gelernt haben, sich durchzusetzen. Als alleinerziehende Mutter und Journalistin hat man es schließlich nicht leicht.* Immer viel beschäftigt, kommt sie in ihrer allerersten Szene gleich mal zu spät: In der Schule wartet ihr Sohn Adrian (nichts geht in diesen Jahren ohne ein Sixth Sense-mäßiges spooky kid), darauf, aus der Obhut seiner Lehrerin abgeholt zu werden. Ob denn mit Adrian alles in Ordnung sei, will die Pädagogin wissen. Immerhin sei doch gerade seine Cousine Katie unter mysteriösen Umständen gestorben. „Adrian kommt schon klar“, schließt Rachel von ihrer eigenen Unabhängigkeit auf die Unabhängigkeit ihres Sohnes. Doch ihr Blick verrät: so richtig sicher ist sich der emotionalen Versehrtheit ihres Sprosses nicht. Adrian und Katie waren – trotz eines gewissen Altersunterschieds – unzertrennlich. Die ungeklärten Umstände ihres Todes lassen ihn noch unbegreiflicher erscheinen.

*(Mutter & Reporterin – hierzulande soll diese Kombi gar nicht mal so verbreitet sein, wie ich heute erst in auf Zeit online gelesen habe…)

Katie war eine kerngesunde Heranwachsende, und kerngesunde Heranwachsende versterben nun mal nicht einfach so. Am Rande der Trauerfeier bittet Katies Mutter ihre Schwester Rachel um Unterstützung. Sie soll erklären, was ihr niemand – weder die Ärzte noch die Pfaffen – erklären kann: „Das machst Du doch beruflich. Du stellst Fragen.“ Gesagt, getan. Sofort mischt sich Rachel unter die Trauergäste. Mit Hilfe plumper Spiegeltechniken erschleicht sie sich das Vertrauen der nervös quarzenden Teenies, indem sie sich eine Kippe anzündet und mit ihren zarten Kiffererfahrungen als Jugendliche hausieren geht. So erfährt Rachel erstmals von dem unheimlichen Videoband. Aus der Privatsache wird eine Recherche. Eine Recherche, die allerdings privat motiviert bleibt.

Rachel Keller, die retro-hafte Reporterin, nutzt zur Recherche noch die gute, alte Zeitung. Print-Patrick frohlockt.

Rachel Keller, die retro-hafte Reporterin, nutzt zur Recherche noch die gute, alte Zeitung. Print-Patrick frohlockt.

Eine Privatsache wird zur Recherche

Ihrem Boss in der Redaktion gegenüber gibt die Reporterin zwar vor, dass sie einer heißen Geschichte auf der Spur sei. Es wirkt jedoch wie eine Ausrede, die sie von der Fessel der Anwesenheitspflicht im Büro befreit. Die Journalistin verlässt die Redaktionsräume und kehrt innerhalb der nächsten sieben Tagen nicht zurück. Kein Wunder, hat sie doch inzwischen selbst das Video gesehen und eine Todeswarnung erhalten. In dieser Situation gäbe es wohl kaum jemanden, der seelenruhig am Newsdesk kleben bliebe. Darüber hinaus gibt es keine Hinweise , dass Rachel beabsichtigt, ihre Ergebnisse in einem Bericht oder einer anderen journalistischen Darstellungsform festzuhalten. Rachel Keller ermittelt wie eine Detektivin. Das Drehbuch macht sie im Wesentlichen zur Journalistin, weil sie so leichter auf Akten und technisches Equipment zugreifen oder aber ohne größere Nachfragen in sensiblen Bereichen wie Nervenheilanstalten oder Privathäusern herumschleichen kann. (Und weil schon die Protagonistin in japanischen Original eine Reporterin war.)

Abgesehen davon – und der Tatsache, dass sie erst kurz vor Ablauf ihrer persönlichen Deadline in die Puschen kommt, so wie es sich für eine stereotype Journalistin gehört – könnte Rachel Keller als Bankkauffrau oder Meeresbiologin arbeiten. Ihre Profession ist selten ein Thema, das in aller Regel stillschweigend zur Geltung kommt, beispielsweise wenn Rachel mal wieder in digitalisierten Zeitungsarchiven herumscrollt. Einen offenen Bezug durch Dritte stellt der Film erst an einer späteren Stelle her. Zu diesem Zeitpunkt kommt Rachel dem zentralen Schicksal, das sich hinter diesem Todesclip verbirgt, bereits sehr nahe. Die gruselige  Pointe, die steht noch bevor. Aber man spürt deutlich, woher der geisterhafte Hauch weht.

Quizfrage: Auf was ist diese junge Frau ist nicht gut zu sprechen? a) auf mieses Zeilenhonorar, b) auf die Künstlersozialkasse oder c) sieben Tage wach?

Rachel Keller als retro-hafte Reporterin

Unter dem Vorwand, ein unverfängliches Interview führen zu wollen, nähert sie sich einem Zeugen. Der aber erahnt das wahre Interesse der Reporterin bereits und holt zur Generalanklage aus: „Ihr nehmt die Tragöde eines Menschen und denkt, ihr könnt die ganze Welt daran teilhaben lassen?“, lässt er Rachel abblitzen. Eine starke Szene, und ein ernster Vorwurf. Eigentlich. Uneigentlich ist er kaum haltbar. Wie wir bereits festgestellt haben, besitzt Rachel Keller gar keine Ambitionen, die Geschichte journalistisch aufzurollen. Ihr geht es darum, die Hintergründe eines Fluches aufzudecken, um so ihr eigenes Leben zu bewahren. Und außerdem: Wer hat denn dafür gesorgt, dass die Tragödie auf Video gebannt wurde, hm? Aber egal. Die Anklage wird diesen Raum ohnehin nicht verlassen. Im Inneren des Röhrenfernsehers kichert es ganz leise.

Fazit: Rachel Keller ist positiv behaftete Journalistin, ohne dass man etwas Essentielles über ihre Beruf erführe. Ihre Profession ist ein Deckmantel, der ihr die Lizenz zum Ermitteln verleiht. The Ring legt seine Journalistenfigur retro-haft an: Der Journalist als Detektiv, der ohne die Befugnisse einer Obrigkeit und damit auf eigene Faust agiert, um die Wahrheit ans Licht zu zerren. Old school ist auch die Loslösung von gesellschaftlichen Implikationen. Die Reporterin ist eine Reporterin – nicht mehr und nicht weniger. Was ok ist. Wir sind hier immer noch in einem Horrorfilm. Was man der Figur zugute halten darf: Verglichen mit Zombie-Happen wie Terri Morales ist Rachel Keller eine ordentliche Partie.

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In sieben Tagen…The Ring ist ein moderner Horror-Klassiker (auch wenn das japanische Original ebenfalls gut sein soll). Für den nächsten gruseligen Filmeabend – über diesen Link kommst Du an das Streaming-Angebot bzw. zur DVD/BluRay-Bezugsquelle eines berühmt-berüchtigten Online-Warenhaues.

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