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Der Anti-Journalistenfilm: The Big Short (2015)

Stell dir vor, die Finanzwelt stürzt zusammen – und keiner sieht es kommen. Auch der Journalismus nicht.                                             

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The Big Short_Journalismus

Stell dir vor, die Finanzwelt stürzt zusammen – und keiner sieht es kommen. Auch der Journalismus nicht.                                                                                                         

The Big Short stellt das Gebaren im Bankensektor bloß, das die Welt zum Ende des vergangenen Jahrzehnts durcheinanderwirbelte. Der Journalismus „glänzt“, von einer kurzen Szene abgesehen, mit Abwesenheit. Wodurch The Big Short zu einem Anti-Journalistenfilm wird.

Von Patrick Torma. Bildmaterial: Paramount Pictures.

Journalistische Werte sind wieder gefragt – diesen Anschein vermittelt zumindest das US-Kino. Mit Truth und Spotlight entfachten Ende 2015 zwei Journalistenfilme öffentliche Diskurse. Insbesondere Spotlight gilt als einer der wichtigsten Beiträge des vergangenen Kinojahres und geht als Mitfavorit in die diesjährige Oscar-Verleihung am 28. Februar. Gemeinsam mit The Big Short. Wenn Spotlight uns daran erinnert, wie wichtig die investigative Recherche für das Funktionieren einer demokratischen Gesellschaft ist, dann vertritt Adam McKays Bankendemotage die Antithese: Der Journalismus nimmt seine Rolle als vierte Gewalt nicht mehr wahr.

Bemerkenswert: Um zu diesem Fazit zu kommen, muss The Big Short noch nicht mal Heerscharen von inkompetenten, unwilligen oder korrupten Reportern auf die Leinwand zerren. Die bloße Abwesenheit des Journalismus reicht aus. Diejenigen, die das Unheil – das Platzen der Hypothekenblase – aufziehen sehen, sind keine Wirtschaftsjournalisten oder Börsenexperten, sondern gesellschaftliche Außenseiter: Inselbegabte Sozialphobiker, geläuterte Wall Street-Aussteiger und grünschnabelige Start Up-Geeks. Sie sind es, die uns in The Big Short die Gründe für den folgenschweren Systemausfall erklären.

Eine Szene aus dem Film The Big Short - Michael Burry (Christian Bale) entdeckt Löcher im Immobilien-Hypotheken-System.

In The Big Short ist es nicht der Journalist, der die Ungereimtheiten am Markt entdeckt. Sondern Michael Burry – ein Analyst mit Kontaktstörung und Inselbegabung.

Kalkuliertes Versagen der Presse?

Und das äußerst anschaulich. Auch wenn im Tempo der Dialoge nicht jeder Zusammenhang verständlich wird, so schafft es The Big Short doch, ein Grundverständnis von der Krise zu vermitteln. Anschauungsunterricht gibt es anhand von Fischeintöpfen, Jenga-Türmen und Selena Gomez am Black Jack-Tisch. Selbst der hinterletzte Finanzlaie ahnt – dieses Konstrukt wird irgendwann zwangsläufig kollabieren. Weshalb sich die Frage aufdrängt: Wie konnte der Journalismus diese Warnsignale übersehen?

Womöglich ist es keine Frage des Könnens, sondern des Wollens. Das System fußt auf einem Podest aus Gier, Sorglosigkeit und Gottvertrauen in die Stabilität des Immobilienmarktes. Einer gut geschmierten Maschinerie fasst man außerdem nicht in die Räder. So formuliert es der einzige wahrnehmbare Journalist in The Big Short: In einer kurzen Szene treffen die beiden jungen Nachwuchstrader auf einen alten Studienkollegen, der jetzt für das Wall Street Journal arbeitet. Sie wollen ihn von den verbrecherischen Aktivitäten der Banken überzeugen, doch der frisch festangestellte Redakteur winkt ab.

Szene aus dem Film The Big Short - Brad Pitt insistiert.

Brad Pitt spielt einen Wall Street-Aussteiger. Der Außenseiter – natürlich von Hollywood Beaus wie Gosling, Bale und eben Pitt gespielt – wird zum Aufklärer.

Hättet ihr mal lieber recherchiert…

Nur weil zwei Garagen-Spekulanten Vorwürfe erheben, könne er doch nicht das Establishment in Frage stellen. Und überhaupt müsse er in erster Linie an seine Familie denken, jetzt wo er einen festen Job hat. Ob ausgerechnet diese untertänige Hörigkeit der Sicherheit seines Jobs zuträglich ist, darf bezweifelt werden. Millionen Menschen verlieren im Zuge der Krise ihren Job, Medienhäuser geraten (weiter) in Schieflage. In Deutschland verwelken Wirtschaftsblätter wie die Fiancial Times. Hätte der gute Mann mal lieber recherchiert.

The Big Short legt es nicht darauf an, diesen einen – vergleichsweise kleinen – Journalisten  in die Pflicht zu nehmen. Dafür ist dessen Jobangst zu real. Er ist keiner von diesen satten Schreibtischtätern. Er steht am Anfang seiner Karriere. Er ist dabei, sich etwas aufzubauen, das er nicht gleich wieder einreißen möchte. Viel wichtiger ist, was The Big Short nicht zeigt – wo sind die investigativ recherchierenden Journalisten? Die hartnäckigen Reporter vor der Wall Street (die sind erst vor Ort, als die Mitarbeiter von Lehman Brothers ihre Schreibtische räumen)? Die ins Bild rotierenden Zeitungen mit ihren mahnenden Schlagzeilen?

Szene aus dem Film The Big Short - Ryan Gosling spielt einen Trader, der von der Gier der Banken profitieren möchte und fungiert dabei als Erzähler.

Moralisch bedenklich? “Ich habe nie gesagt, dass ich der Gute in dieser Geschichte bin!” Ryan Gosling spielt einen Trader, der von der Gier der Banken profitieren möchte und fungiert dabei als Erzähler. Das Aufbrechen der vierten Wand ist dabei ein gängiges Stilmittel in The Big Short.

The Big Short tadelt und fordert auf

Sie sind nicht existent. Weder in The Big Short, noch in der Realität, als es darauf ankam. „Der Journalismus, speziell der Wirtschaftsjournalismus, ist als Frühwarnsystem weitestgehend ausgefallen“, hielt der Journalismusforscher Siegfried Weischenberg zur Krisenberichterstattung fest. Das gilt sowohl für den amerikanischen als auch für den deutschen Raum. Einzelne Fachzeitschriften wiesen zwar auf den instabilen US-Markt hin, unterschätzten jedoch die globalen Folgen eines Crashs.

Da sage noch jemand, die Probleme des Journalismus seien nicht hausgemacht. The Big Short tadelt den Journalismus, indem er ihn im Vorfeld einer der größten Krisen der jüngeren Vergangenheit einfach aussperrt. In dieser Aussparung steckt auch die Aufforderung, beim nächsten Mal genauer hinzusehen. Bevor es zu spät ist. Allzu viel Zeit sollten wir uns tatsächlich nicht lassen, wie uns der Film nahelegt. Die Banker fummeln schon wieder gierig am Jenga-Turm herum.

Hörtipp zum Film:

Der faule Fisch der Bank Ihres Vertrauens:  Kurzer und knackiger Podcast der Kollegen von Schöner Denken. Wer wissen will, ob The Big Short einen Blick wert ist (Spoiler: Er ist es definitv), der sollte reinhören. Die Jungs sind übrigens “vom Fach”, mit Andreas ist ein Wirtschaftsjournalist am Mikro!


Allein für die Fischeintopf-Szene lohnt sich The Big Short – beziehen kannst Du den Film über den folgenden Bildlink.

Übrigens: Der Film basiert auf dem Buch  “The Big Short – Wie eine Handvoll Trader die Welt verzockte” von Michael Lewis (“Moneyball”): The Big Short: Wie eine Handvoll Trader die Welt verzockte*

4.0
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