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Druckabfall im Oberstübchen: Airport 1980 – Die Concorde (1979)

Journalistin Maggie Whelan besteigt eine Concorde. Sie führt Dokumente mit sich, die ihren Liebhaber, CEO einer Rüstungsfirma, kompromittieren.

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Journalistin Maggie Whelan besteigt eine Concorde. Sie führt Dokumente mit sich, die ihren Liebhaber, CEO einer Rüstungsfirma, kompromittieren.

Also feuert der alles ab, was sein Arsenal hergibt, um das neueste Wunderwerk der Luftfahrt vom Himmel zu schießen. Airport 1980 – Die Concorde ist Werbe-Filmchen, unfreiwillige Komödie und Genre-Bodensatz in einem.

Text: Patrick Torma. Bildmaterial: Universal Pictures.

Hätte Maggie Whelan nächtlichen Besuch erwartet, sie wäre wohl noch nicht in den Bademantel geschlüpft (wobei, bei Filmen wie Airport 1980 weiß man nie…). Zur besten Schlafengehzeit klingelt sie ein Whistleblower wach. Der Mann fällt aufgeregt mit der Tür ins Haus: Harrison Industries, ein honoriges Rüstungsunternehmen, verhökert auf illegalem Wege Waffen an Schurkenstaaten. Reporterin Whelan (Susan Blakely, Flammendes Inferno) soll diesem Treiben ein Ende setzen. „Sie sind eine berühmte Persönlichkeit, auf Sie hören die Leute“, begründet der Informant sein unangemeldetes wie unvorsichtiges Aufkreuzen.

Denn: Ein Auftragsmörder ist ihm gefolgt und hat brav abgewartet, bis der Bote bei der potenziellen Distributorin der Nachricht eingetroffen ist. Jetzt darf er die doppelte Anzahl Zeugen um die Ecke bringen. Muss sich ja lohnen, so ein Auftrag. Es gelingt dem Attentäter zwar noch, den Whistleblower über den Haufen zu schießen. Maggie Whelan jedoch erweist sich als zu schlagfertig, sie streckt den Assasinen mit einem Baseballschläger nieder. Schließlich wird eine Nachbarin auf den Tumult aufmerksam, der „Profi“-Killer verdünnisiert sich.

Sieht so ein taffe, unabhängige Journalistin aus? Kurz und schmerzlos: Nein.
Sieht so eine taffe, unabhängige Journalistin aus? Kurz und schmerzlos: Nein.

Maggie Wheeler: Keine Reporterin, sondern enttäuschte Liebhaberin

Ohne beweiskräftige Dokumente, die der Informant zwar angekündigt, aber nicht bei sich hatte, konfrontiert sie den CEO von Harrison Industries, Dr. Kevin Harrison (Robert Wagner, bekannt als Dr. Evils Handlanger „Number Two“ aus den Austin Powers-Filmen), mit den Vorwürfen. Doch sie geht nicht als knallharte Journalistin in dieses Interview, sondern als enttäuschte Liebhaberin: Whelan und Harrison führen eine Beziehung. Ihr „Verhör“, welches sich im Wesentlichen auf die Aussagen „Wie konntest Du nur?“ und „Ich liebe dich noch immer so sehr!“ reduzieren lässt, bringt den abgebrühten Waffenhändler nicht mal ansatzweise ins Schwitzen. Gleich morgen, wenn Maggie Whelan den Flieger gen Moskau besteigt, um von den Olympischen Spielen in der sowjetischen Hauptstadt zu berichten, werde er die Lieferungen, von denen er ohnehin keinen blassen Schimmer hatte, einstellen.

Die Reporterin ist fürs Erste besänftigt. Harrison reibt sich die Hände. Eine Rollstuhlfahrerin fährt ihm allerdings in die Parade. Unmittelbar vor Schließung des Gates drückt die Witwe des Whistleblowers Maggie Whelan einige Akten in die Hand, darunter eine Reihe von Verträgen, die von Harrison persönlich unterschrieben sind und somit belegen, dass der CEO sehr wohl in die Despoten-Deals eingeweiht war. Das Boarding ist nicht mal ansatzweise abgeschlossen, da heult sie ihrem Lover über das Bordtelefon erneut die Ohren voll. Unmittelbar nach der Landung werde sie die Dokumente – stilecht mit Confidental-Stempel – an das Moskauer Büro ihrer Redaktion übergeben. Harrison hat genug. Er fasst den Plan, die Concorde auf ihrem Weg von Washington nach Moskau vom Himmel zu holen. Koste es, was es wolle.

Beinahe schießen die Piloten ihre Concorde selbst vom Himmel. Kein Wunder: als ehemalige Vietnam-Flieger kennen sie sich mit Selbstabschüssen aus.
Beinahe schießen die Piloten ihre Concorde selbst vom Himmel. Kein Wunder: als ehemalige Vietnam-Flieger kennen sie sich mit Selbstabschüssen aus.

Star-Kino als Kontrast zum Autoren-Film des New Hollywood

Airport 1980 – Die Concorde, im Original als Airport ’79 bekannt ist der vierte Teil der populären Katastrophenfilm-Reihe Airport. Das Genre erlebte in den 1970er-Jahren eine Hochphase, als klassisches Helden-Kino – als Kontrapunkt zu den Verunsicherungen des New Hollywood – versammelte es die Größen der Branche. So waren in den drei Airport-Vorgängern unter anderem Burt Lancaster, Jack Lemmon und Charlton Heston in Hauptrollen zu sehen. Alain Delon (Der eiskalte Engel) und George Kennedy (Ed Hocken in den Nackte Kanone-Filmen) heißen die Stars des vierten Ablegers, der als Werbe-Film die Concorde konzipiert war. Als erstes Überschallflugzeug war die Concorde erst 1976 in den Passasierflugbetrieb genommen worden, begleitet von allerlei Störgeräuschen: Die Umwelt werde massiv durch Lärm und Schadstoffe belastet, kritisierten Gegner.

Beim ersten Hinsehen erscheint es mehr als hirnrissig, einen neuen Flugzeugtyp ausgerechnet mithilfe eines Katastrophenfilms zu featuren. Allerdings enden die meisten Katastrophenfilme dieser Ära glimpflich und / oder mit der Restauration von Sicherheit. Airport 1980 macht da keine Ausnahme. Die Concorde stürzt nicht einfach ab, sie wird in den schneebedeckten Bergen Russlands notgelandet, nachdem sie sich tapfer allen Angriffen entzog.

Die Piloten Delon und Kennedy, ehemalige Vietnam-Flieger, schleifen die Concorde wie einen Düsenjet, vollführen eine Barrel Roll nach der anderen. Peppy Hare aus Star Fox 64 hätte wohl ehrfürchtig seine Löffel angelegt. Tenor: Die Concorde ist so schnell („Hurra, wir haben Schallgeschwindigkeit erreicht!), wendig und robust, kurz: technisch überlegen, dass sie selbst den Drohnen und Wärme-Raketen davonfliegt. Denn Kevin Harrison nutzt sämtliche Mittel privatwirtschaftlicher Kriegsführung, um die Enthüllung seiner Geschäftsgebaren zu verhindern.

Mit Airport 1980 - Die Concorde hat Hollywood ein ganz besonderes Ei ins Genre-Nest gelegt.
Mit Airport 1980 – Die Concorde hat Hollywood ein ganz besonderes Ei ins Genre-Nest gelegt.

Boah ey, Schallgeschwindigkeit:
Ein Werbe-Film für die Concorde

Airport 1980 – Die Concorde ist hanebüchen von der ersten bis zur letzten Sekunde, sämtliche Dämlichkeiten aufzulisten, würde an dieser Stelle den Rahmen sprengen. Wer an den Story-Turbulenzen interessiert ist, dem lege ich die launige Aufstellung von Mike Brooks („Manapop“) ans Herz. Das Publikum in den Testvorführungen soll sich derart über den Film lustig gemacht haben, dass sich Universal dazu entschied, Airport 1980 als Komödie zu vermarkten.

In der Filmdatenbank imdb.com ist folgende Tagline überliefert: „Fasten your seatbelts, the thrills are terrific…and so are the laughs“. Leider habe im Netz weder Filmplakat, noch Trailer finden können, der die Existenz dieses Marketing-Slogans bestätigt. Fakt ist: Airport 1980 – Die Concorde kann man nicht ernst nehmen, nicht nur aufgrund der vielen Luftlöcher in der Handlung. Nahezu jede Dialogszene wartet mit einem miesen Kalauer auf. In einer Szene wirft Käptain Kennedy seinem Co-Piloten Delon tatsächlich ein High Five zu, weil er von Delon eine Nacht mit einer Prostituierten spendiert bekommen hat.

Der Film ginge als sündhaft teures Trash-Fest (wie etwa Michael Caines berüchtigtes paycheck movie The Island) durch, würde er nicht so vor Sexismus triefen. Gerade Kennedy stelzbockt sich durch den gesamten Film, Frauen sind meist Sexobjekte, gehorsame Kaffeeköchinnen und Kofferträgerinnen oder schmuckes Beiwerk. Ganz schlimm trifft es die niederländische Schauspielerin Sylvia Kristel (als Darstellerin in den Emmanuelle-Filmen immerhin Testimonial der sexuellen Revolution), die ihrem Liebespiloten Alain Delon als treudoofe Stewardess untergeben sein muss.

Selbst eine Figur wie Maggie Whelan, die in diesem Ensemble-Theater als Protagonistin durchgeht, ringt in diesem Klima gehörig um Luft. Einerseits repräsentiert sie den Enthüllungsjournalismus, wie er in der Post-Watergate-Ära gepriesen wurde. Andererseits ist sie nicht mehr als MacGauffin. Ohne die Journalistin gäbe es für Harrison keinen Grund, die Concorde abzuschießen.

Die Journalistin ist in Airport 1980 nicht mehr als ein MacGauffin

Einmal an Bord, geht Whelan im Bad der Kabinen-Albernheiten unter. Hier und da fragt sie sich, was hier eigentlich vorgeht, in einer Szene kommt sogar ein Diktiergerät zum Einsatz. Wirkliche Recherchen stellt sie allerdings nicht an. Sie verbleibt in der Rolle der gekränkten Verflossenen. In Paris, wo die Maschine zwischenlandet und nach den Beinahe-Abschüssen für einen Abend gewartet wird, trifft sie sich allen Ernstes ein weiteres Mal mit Harrison, der seinerseits eine letzte Charme-Offensive respektive einen Bestechungsversuch unternimmt.

Warum er nach der doppelten Massenmord-Absicht jetzt noch Süßholz raspelt, anstatt Whelans Übernachtung für ein gezieltes Attentat zu nutzen, lässt sich nur mit der Notwendigkeit erklären, eine weitere Stunde Laufzeit aus diesem Dünnbier-Plot herauszuquetschen. Die Dauerwerbesendung für die Concorde muss weitergehen. „Ich wollte mich nie so verlieben, dass ich mich nicht mehr kontrollieren kann“, klagt Maggie Whelan zum Abschied, und trifft damit das Problem der weiblichen Belegschaft auf den Punkt: Frauen dürfen in diesem Machwerk nur in Abhängigkeit zum männlichen Geschlecht funktionieren.

Immerhin: Airport 1980 – Die Concorde spielte zwar gerade so seine Produktionskosten von 14 Millionen Dollar ein, war aber der unprofitabelste Beitrag der Reihe. Nach diesem vierten Ableger wurde die Serie aus dem Verkehr gezogen. Ein Schicksal, das 2003 bekanntlich auch die Concorde ereilte. Als Sargnagel erwies sich der Absturz der Concorde 2000 bei Paris, bei dem alle 109 Insassen und vier Menschen am Boden ums Leben kamen. Die bittere Ironie der Geschichte: Das in Frankreich abgestürzte Flugzeug war genau jene Concorde, die in Airport 1980 zu sehen ist.

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