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„Ich hatte noch nie so schlimmes Material“: Regisseur Daniel Sager über die Arbeiten zu Hinter den Schlagzeilen

Große Recherchen auf großer Leinwand: Seit dem 16. September ist die Dokumentation Hinter den Schlagzeilen in den Kinos zu sehen.

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Große Recherchen auf großer Leinwand: Seit dem 16. September ist die Dokumentation Hinter den Schlagzeilen in den Kinos zu sehen.

Im Mai feierte Daniel Sagers Blick in den Maschinenraum des Recherche-Ressorts der Süddeutschen Zeitung (SZ) seine Premiere, damals im Rahmen des DOK.fest. Aktuell ist der Regisseur auf Kinotour, am 20. September machte er Station in Essen. Im altehrwürdigen Filmstudio Glückauf stellte er sich den Fragen des Publikums – und von journalistenfilme.de. Dabei verriet er unter anderem, dass ein Nachfolger von Hinter den Schlagzeilen bereits geplant ist.

Text & Interview: Patrick Torma. Bildmaterial: bauderfilm / Börres Weiffenbach.

Flankiert wurde Sager von den Investigativreportern Marcus Bensmann vom gemeinnützigen Recherchezentrum CORRECTIV* und Pascal Hesse, die das Gesehene aus journalistischer Perspektive einordneten. Hesse, Vorsitzender der DJV-Ortsgruppe Essen-Mülheim-Oberhausen, agierte auch als Co-Gastgeber – der Deutsche Journalisten-Verband NRW hatte zusammen mit dem Filmverleih Real Fiction zu dieser Sondervorstellung eingeladen. Entsprechend war ein Großteil der Kinogänger*innen an diesem Abend „vom Fach“.

*Hörtipp: In journalistenfilme.de – der Podcast Folge #22 spreche ich mit Marcus Bensmanns Kollegen und CORRECTIV-Mitbegründer Jonathan Sachse darüber, wie der investigative Journalismus in Spotlight dargestellt wird.

Hinter den Schlagzeilen ist die Anatomie eines Scoops

Der Film begleitet die SZ-Journalisten Bastian Obermayer und Frederik Obermaier, die irgendwann im Jahr 2018 ein brisantes Video zu Gesicht bekommen. Darauf zu sehen ist der damalige österreichische Vize-Kanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ), der in gelöster Atmosphäre einer vermeintlichen Oligarchin aus Russland gegenüber eindeutige Angebote unterbreitet. Weil sich die Runde in einem Domizil auf der spanischen Ferieninsel Ibiza traf, ging der Korruptionsskandal als Ibiza-Gate in die Geschichte ein. Und wie: Die Veröffentlichung der Aufnahmen sorgte für ein politisches Beben bei unseren Nachbarn, vorgezogene Landtagswahlen inklusive.

Die Presse lobte Hinter den Schlagzeilen bereits im Mai für die angenehm unaufgeregte Darstellung investigativ-journalistischer Arbeit. Auch den „Stresstest“ durch die Kolleg*innen in Essen hat der Film bestanden. Die Dokumentation kam an diesem Abend insgesamt gut an. Gleichwohl gab es einige Stimmen, die den Film als zu „heroisch“ und „unkritisch“ empfanden – gerade mit Blick auf das offene Motiv des Whistleblowers und den Zeitpunkt der Veröffentlichung unmittelbar vor den Europawahlen 2019. Übrigens: Ich bleibe bei meinem Ersteindruck, meine Besprechung zur Premiere im Mai findet Ihr hier.

Dokumentarfilmer Daniel Sager im Interview

Nichtsdestotrotz wollte ich mir dieses Heimspiel für journalistenfilme.de nicht entgehen lassen. Die Kolleg*innen vom DJV NRW haben es mir dankenswerterweise ermöglicht, dass ich Daniel Sager in einer ruhigen Minute für ein kurzes Interview entführen durfte. Leider war die ruhige Ecke, in die wir uns verzogen haben, plötzlich nicht mehr ganz so ruhig. Gerne hätte ich Euch das Gespräch in Form eines Podcast-Happens serviert. Aber leider war die Aufnahme kein Ohrenschmaus. Daher gibt’s das Interview zum Lesen, abgerundet von einigen Statements der anschließenden Podiumsdiskussion.

Herr Sager, mit Hinter den Schlagzeilen sind Sie zum Dokumentar eines politischen Bebens geworden. Hätten Sie das gedacht?

Daniel Sager: „Nein, ganz und gar nicht. Mir war zu Beginn nur klar, dass ich echte Recherchen filmisch begleiten will. Ich wollte einen offenen Blick auf das journalistische Handwerk ermöglichen, weil ich gemerkt habe, dass viele – auch in meinem persönlichen Umfeld – überhaupt nicht wissen, wie Journalisten wirklich arbeiten. Es gibt Menschen, die davon ausgehen, dass Journalisten einfach nur das aufschreiben, was sie hören. Weil die Branche in den vergangenen Jahren unter einem großen Rechtfertigungsdruck stand, war es mir wichtig, diesen Film zu machen. Aber worum es in den Recherchen letztendlich gehen würde, wusste ich nicht. Von daher war ich von den Ereignissen überrascht.

Die Journalisten Frederik Obermaier und Bastian Obermayer schauen sich keinen 3D-Film an, sondern Auszüge aus dem Strache-Video. Der ursprüngliche Clip des Whistleblowers war mit einem Kopier- bzw. Abfilmschutz versehen, deswegen die schicken Brillen.

„Auch ohne das Strache-Video hätte es den Film gegeben“

Also erübrigt sich die Frage: Was war zuerst? Das Ibiza-Video oder die Filmidee?

Daniel Sager: „Das hat sich wirklich erst während der Dreharbeiten ergeben. Wir, der Produzent Marc Bauder und ich, standen über ein Jahr lang im Gespräch mit der SZ. Dann kam es zum tragischen Tod von Daphne Caruana Galizia. Da haben wir gesagt: Das ist eine wichtige Geschichte, wir müssen anfangen, diesen Film zu machen. Erst danach hat sich der Insider mit dem Strache-Video an die Redaktion gewandt. Da steckten wir bereits in den Dreharbeiten. Schließlich hat es noch ein Jahr gedauert, bis es veröffentlicht wurde. Dadurch hatten wir genügend Zeit, das Vertrauen und die Nähe zu den Beteiligten aufzubauen.“

Der Strache-Leak war ein Glücksfall für den Film. Wobei ihre Dokumention sehr wohl verdeutlicht, dass die Recherchen ja auch ins Leere hätten laufen können. Die Echtheit des Videos stand in Zweifel. Auch war juristisch lange nicht klar, ob die SZ das Material veröffentlichen darf. Gäbe es den Film ohne Ibiza-Gate überhaupt? Und: Wie stark haben Sie geschwitzt, bis es die Geschichte in den Film schaffte?

Daniel Sager: „Den Film gäbe es auf alle Fälle. Wir haben mehrere Recherchen begleitet, einige haben es nicht in den Film geschafft. Wir hätten auch so genügend Material gehabt. Schwitzen musste ich trotzdem, weil mir die Geschichte natürlich wichtig war. Anfangs sah es so aus, als könnten wir sie nicht verwenden. Eingeplant war eine Drehzeit von einem Jahr. Schließlich mussten wir die Dreharbeiten um ein Jahr verlängern. An dieser Stelle: Herzlichen Dank an die SZ-Redaktion, das ZDF Fernsehspiel und die Produzenten, die uns das ermöglichten. Am Ende hatten wir einfach Glück, dass die Veröffentlichung des Videos in den Drehplan fiel.“

„Das Scheitern gehört zum Journalismus dazu“

Wie hat sich das auf die Finanzierung des Films ausgewirkt?

Daniel Sager: „Kaum. Die Anzahl der Drehtage war festgelegt. Die Dreharbeiten wurden ‚nur‘ in die Länge gezogen.“

Der Film zeigt sehr schön, wie unglamourös der investigative Journalismus sein kann, wie viel Handwerk in den Recherchen steckt und dass sich Journalist*innen auch immer die Möglichkeit das Scheitern vor Augen halten müssen. Ist das ein Aspekt, der Sie gereizt hat?

Daniel Sager: „Das Scheitern gehört zum investigativen Journalismus – überhaupt zum Journalismus – dazu. Ich glaube allerdings, dass dieses Wissen förderlich ist. Nur so kann man ergebnisoffen an Recherchen herangehen. Ist das eine Geschichte? Werden diese Informationen, die uns vorliegen, Bestand halten? Gute Geschichten sind auch journalistische Experimente. Auch für große Redaktionen wie die der SZ. Das zu thematisieren, fand ich wichtig.“

Der Quellenschutz stand an erster Stelle

Stark sind die Momente im Film, in denen die Protagonisten um Bastian Obermayer und Frederik Obermaier um ihre Geschichte fürchten müssen. In meinen Augen sind das sehr intime Szenen. Wie nah waren Sie mit Ihrer Kamera dran? Und wie sind die Journalist*innen mit dieser Nähe umgangen?

Daniel Sager: „Gerade am Anfang war das kein einfacher Prozess, weil Investigativjournalisten von Natur aus gewohnt sind, alleine zu arbeiten. Gleichzeitig wollen sie ihre Quellen schützen. Das sind Informanten, die oft im Verborgenen bleiben wollen. Unsere Dreharbeiten hätten diese Informanten unter Umständen in Gefahr bringen können. Das führte dazu, dass wir bei vielen Situationen gar nicht dabei waren. Gerade für Bastian und Frederik war das anfangs auch eine höhere Belastung. Wir haben lange gerungen. Ich um jede einzelne Szene, die beiden darum, die roten Linien zu ziehen. Das war nicht immer konfliktfrei. Aber am Ende hat es sich, glaube ich, ausgezahlt.“

Ich habe durchaus das Gefühl, dass die Kamera den Journalist*innen ermöglicht hat, ihre Arbeit zu reflektieren. Meinen Sie, dass Ihre Anwesenheit auch eine hilfreiche Stütze war?

Daniel Sager: „Bastian und Frederik sind sehr medienerfahrene Menschen, die in der Vergangenheit viele Interviews gegeben haben. Deswegen glaube ich nicht unbedingt, dass wir eine Hilfe für sie waren. Aber es war trotzdem ein interessanter Prozess. Sicher auch für die beiden, weil wir sehr intensiv über ihr journalistisches Handwerk gesprochen haben.“

„Irgendwo war die Nummer von Heinz-Christian Strache“

Sie waren mit der Kamera in den Redaktionshallen der SZ unterwegs. Manche Medienhäuser nutzen Dokumentationen gerne mal für’s Eigenmarketing. Wie verlief die Zusammenarbeit mit der SZ? Hatten Sie freie Hand? Oder gab es Momente, in denen man ihnen gesagt hat: Das drehen Sie jetzt besser nicht?

Daniel Sager: „Wir konnten so ziemlich machen, was wir wollten, konnten im gesamten Gebäude drehen. Es gab natürlich einige Personen, die nicht im Film zu sehen sein wollten. Das war aber kein Problem. Letztendlich gab es keinen Vertrag mit der SZ. Lediglich die Absprache, dass wir uns den fertigen Film gemeinsam ansehen und dass die SZ aus Gründen des Quellen- bzw. Personenschutzes Einfluss nehmen kann. So war es am Ende auch. Beispielsweise war irgendwo im Hintergrund auf einem Whiteborad die Nummer von Heinz-Christian Strache zu sehen. Die haben wir natürlich entfernt, damit nicht alle bei ihm anrufen.“

Für investigativen Journalismus braucht es Mut. Manche Journalist*in bezahlt ihn mit dem Leben. Bastian Obermayer (links) sucht in Malta den Gedenkort für die ermordete Polit-Bloggerin Daphne Caruana Galizia auf.

„Korruption spinnt sich rund um den Globus“

Dokumentationen, die den Journalismus beleuchten, liegen im Trend. Colectiv von Alexander Nanau ist zu nennen, Die letzten Reporter von Jean Boué oder aber die Amazon-Doku über die BILD-Zeitung. Warum ist der Journalismus aktuell so ein spannender Beobachtungsgegenstand?

Daniel Sager: „Das liegt auf der Hand: In der jüngeren Vergangenheit stand die Branche unter einem großen Rechtfertigungsdruck. Gleichzeitig verändert sich die Branche an sich. Die Welt wird digitaler und globalisierter, Korruption spinnt sich rund um den Globus. Der investigative Journalismus muss anders arbeiten, internationaler werden und verstärkt im Kollektiv agieren. Riesige Datenmengen sind zu bewältigten. Auch die Medienlandschaft verändert sich, Stichwort: Zeitungssterben. Immer mehr Menschen beziehen ihre Nachrichten aus dem Internet, immer weniger kaufen Lokalzeitungen. Die gesamte Branche unterliegt einem großen Wandel. Ich glaube, es ist für Filmemacher einfach reizvoll, diesen Wandel zu untersuchen.“

Einen Aspekt möchte ich herausgreifen: den Rechtfertigungsdruck. Gerade Ibiza-Gate zog Diskussionen nach sich, weil der Leak „pünktlich“ zu den Europawahlen 2019 publik wurde. Insbesondere aus dem rechtskonservativen Lager gab es Stimmen, die der SZ Kampagnenjournalismus unterstellten. Ist der Film auch ein Fingerzeig an die Fake-News-Front?

Daniel Sager: „Man kann in dem Film gut beobachten, wie journalistisches Handwerk funktioniert – aber auch, wie wichtig Sorgfalt ist. Dass ich mit der Kamera des Direct Cinema den Blick auf dieses Handwerk richte – da steckt natürlich der Gedanke dahinter, zu zeigen, dass Journalist*in ein schützenswerter Beruf ist. Gerade in Zeiten von Fake-News und Informationskriegen kommt dem investigativen Journalismus eine wichtige Rolle zu.“

Daniel Sager, das Direct Cinema & die Zweifel der Anderen

Stichwort Handwerk: Ich fühlte mich an den Journalistenfilmklassiker Die Unbestechlichen erinnert. Auch dort geht es unglamourös zu, auch dieser Film bezieht seine Spannung weniger aus der Geschichte als aus dem eigentlichen Rechercheprozess. War das ein filmisches Vorbild, an dem Sie sich orientiert haben?

Daniel Sager: „Erstmal vielen Dank für diesen Vergleich zu Die Unbestechlichen, der ehrt mich natürlich extrem. Tatsächlich liegen meine Vorbilder weniger im Journalistenfilm. Sondern in der alten Schule des Dokumentarfilms. Das Direct Cinema ist eine sehr puristische und ursprüngliche Art des Dokumentarfilms. Heutzutage wird gar nicht mehr so viel auf diese Art und Weise gedreht. Es war eine große Herausforderung, diesen Stil anzuwenden, weil man viel reduzierter mit Interviews arbeitet und weniger erklären kann. Es gab sowohl im Team als auch in meinem Umfeld Leute, die gesagt haben: ‘Das funktioniert doch gar nicht, das wird auch nicht funktionieren.’ Ich habe aber daran geglaubt und es hat zum Glück funktioniert. Natürlich haben wir auch viele Interviews geführt. So wären wir in der Lage gewesen, den Film umzubauen und auf eine andere Weise zu erzählen.“

Die Unbestechlichen sind schon die Königsklasse“

Sprich: einordnender. Es gibt im Film mehrere Szenen, in denen sich die Kolleg*innen vor der Kamera erklären. Aber insgesamt spricht vieles für sich…

Daniel Sager: „Jeder soll sich seine eigene Meinung bilden können. Und genügend Raum vorfinden für anschließende Gespräche. Ich wollte, dass wir den Journalisten bei der Arbeit zugucken können. Dass wir erleben, wie Journalismus funktioniert. Weniger, dass wir Journalisten dabei zusehen, wie sie von ihrer Arbeit erzählen.“

Abschließende Frage: Haben Sie einen Lieblings-Journalistenfilm?

Daniel Sager: „Die Unbestechlichen sind schon die Königsklasse [überlegt kurz]. Im Spielfilmsektor, da fällt mir ehrlich gesagt – okay, es gibt noch Spotlight. Den fand ich auch sehr gut. Obwohl der noch nicht so alt ist, gehört der Film zu den Klassikern. Es gibt noch eine Dokumentation, die ich besonders toll fand: 800 Wörter für ein Leben. Darin geht es um Journalisten, die die Nachrufe für die New York Times schreiben. Ein ganz wunderbar erzählter Film.“

Berühmtes Testimonial: Die SZ-Journalisten treffen Edward Snowden.
Berühmtes Testimonial: Die SZ-Journalisten treffen Edward Snowden.

Q&A mit Hinter den Schlagenzeilen-Macher Daniel Sager

Im Anschluss an den Film luden der Verleih Real Fiction und der DJV-NRW im Filmstudio Glückauf noch zu einer Podiumsdiskussion ein. Einige Passagen habe ich für Euch festgehalten.

Daniel Sager über…

… die Überzeugungsarbeit, die er bei der SZ leisten musste:

„Das war ein sehr langer Prozess. Mein Produzent, Marc Bauder, und ich sind über ein Jahr lang immer wieder von Berlin nach München gefahren. Wir haben der SZ unser Vorhaben erklärt und sind zunächst großer Skepsis begegnet, weil Investigativjournalisten ihre Quellen schützen wollen. Sie konnten sich nicht vorstellen, wie wir diesen Film machen wollen. […] Wir haben viele Gespräche geführt und sind immer wieder dorthin gefahren, das hat wohl Eindruck hinterlassen. Irgendwann es hieß: „Ihr seid echt hartnäckig. Ihr kommt immer wieder, obwohl gar nichts passiert…“

… die Wahl, bei der SZ zu hospitieren:

„Der ‚normale‘ Journalismus ist damit beschäftigt, das abzubilden, was aktuell passiert. In die Tiefe zu gehen, dafür haben fast leider nur noch Investigativjournalisten die Zeit. […] Die SZ-Redaktion hat sich in jüngerer Vergangenheit durch besondere Recherchen einen Ruf gemacht. Es gab auch Überlegungen, in verschiedenen Redaktionen zu drehen, vielleicht sogar auch international. Letztendlich war aber die Idee, den redaktionellen Mikrokosmos darzustellen, ein ausschlaggebender Grund.“

„Die Begegnung mit Edward Snowden ist eine historische“

… die Chronologie des Films und die reale Abfolge der Ereignisse:

„Wir haben die Ereignisse etwas anders geschachtelt. Die letzte USA-Reise von Frederik Obermaier zeigen wir vorgelagert, obwohl sie nach der Veröffentlichung des Strache-Videos stattfand. Den Besuch bei Edward Snowden haben wir ebenfalls vorangestellt. Zum einen wegen des Inhalts. Andererseits war mir die Szene persönlich sehr wichtig, weil es eine historische Begegnung ist. Die beiden Journalisten, die mit den Panama Papers den größten Daten-Leak aller Zeiten mit aufgearbeitet haben, treffen auf den bekanntesten Whistleblower aller Zeiten.“

… den Einwurf eines Zuschauers, dem Film mangle es an kritischer Distanz:

„Man kann schon sagen, der Film ist unkritisch. Ich kritisiere nicht. Ich bilde ab. Sachen, die funktionieren. Genauso wie Sachen, die nicht funktionieren. Es gibt sicher Fragen, die einem auf der Zunge liegen, wenn man den Film sieht. Etwa: Weshalb sind in der Redaktion so wenig Frauen unterwegs? […] Ich habe eine Form gewählt, in der ich diese Fragen nicht stelle, die aber im Kopf des Zuschauers entstehen. Das ist vielleicht ein schöner Effekt: Mit diesen Fragen nach Hause zu gehen und darüber nachzudenken.“

„Man kann schon sagen, der Film ist unkritisch…“

zwei Jahre Standby-Modus als Dokumentarfilmer:

„Ich habe telefonisch Kontakt mit der SZ-Redaktion gehalten, immer wieder gefragt: ‘Was ist gerade bei Euch los? Woran arbeitet Ihr? Was sind die Arbeitsschritte?’ Über die Zeit habe ich ein Gefühl dafür bekommen, wie die Arbeitsabläufe sind, welche Termine stattfinden. Dann bin ich nach München gefahren und war so schon mal in der Nähe. Die Kamera läuft dann noch nicht. Man kann auch nicht von morgens bis abends alles mitdrehen. Das muss man sich ja im Schnitt alles nochmal angucken! […] Irgendwann passiert was. Das ist auch Glück. Ein Herantasten. Man bekommt irgendwann ein Gespür dafür, wann spannende Dinge vor sich gehen. Aber bestimmt haben wir auch was verpasst.“

… die Fülle der Aufnahmen:

„Wir haben 400 Stunden Material gesammelt. Ich hatte noch nie so schlimmes Material [lacht]: Weil es wenig Spaß gemacht hat, sich die Aufnahmen anzugucken. So viel Material von Menschen, die vorm Rechner sitzen und klicken oder Telefonate führen.“

„Investigativer Journalismus erfordert Mut“

Marcus Bensmann und Pascal Hesse darüber, inwieweit die im Film abgebildete Redaktionsarbeit auf die Gegebenheiten lokaler Redaktionen oder freier Journalist*innen übertragbar ist:

Marcus Bensmann: „Der investigative Journalismus braucht einen Apparat. Ich habe das Glück für CORRECTIV zu arbeiten, ein Recherchenetzwerk, das versucht, die erforderlichen Ressourcen für langfristige Recherchen bereitzustellen. Für die Datenauswertung, aber auch juristische Begleitung. […] Die investigative Reportage kann man als freier Journalist eigentlich nicht machen. Man bekommt als Freier vielleicht an eine Information oder kann eine Quelle öffnen, aber in der Begleitung braucht man eine starke Organisation. Das große Problem ist: Eine investigative Recherche ist immer mit Gefahr verbunden. Daphne Caruana Galizia hat es das Leben gekostet. Hier ist es nicht die Kugel, sondern das Anwaltsschreiben. […] Schon Lokalzeitungen haben Angst, wenn sie aus Köln Post von den berühmten Medienanwälten bekommen. […] Das ist das Bemerkenswerte an dem Film bzw. an dieser Geschichte: Dass sich die Redaktionsleitung gegen den Rat des eigenen Juristen, um des Risiko willens, für die Veröffentlichung des Strache-Videos entschied. Das erfordert finanzielle Rücklagen, aber auch Mut.“

Daniel Sager plant bereits Hinter den Schlagzeilen 2

Pascal Hesse: „Investigative Recherchen sind im Lokalen extrem schwierig, um es mal nett zu formulieren. Wenn man sich die Redaktionen anguckt, dann sind die in den vergangenen 20 Jahren immer kleiner geworden. Immer weniger Köpfe, die schreiben und recherchieren können, geschweige denn, dass im Hintergrund ein Jurist anwesend wäre, der in einer Lokalredaktion kurz vor Andruck mal über die Texte schaut. […] Manche Themen sind inzwischen von vorneherein zu heikel. Das ist ein Wandel, der gefährlich ist.“

David Sager auf die Frage von Pascal Hesse, ob denn schon ein zweiter Teil von Hinter den Schagzeilen in Planung sei – der dann gerne im Ruhrgebiet spielen dürfe:

„Vielleicht gibt es ja lokale Filmemacher, die das übernehmen wollen. Ich darf seit Freitag darüber reden: Ich werde demnächst in einem anderen großen Medienhaus Teil 2 drehen. Das sitzt in Hamburg.“

Ob Hinter den Schlagzeilen auch in Eurer Nähe gezeigt wird, könnt Ihr über die Homepage des Verleihs in Erfahrung bringen.

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