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Ohne Worte #1: War Correspondents (1898)

War Correspondents aus dem Jahr 1898 ist ein Dokument medialer Kriegsbegeisterung zu Beginn des spanisch-amerikanischen Krieges.                     

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War Correspondents aus dem Jahr 1898 ist ein Dokument medialer Kriegsbegeisterung zu Beginn des spanisch-amerikanischen Krieges.                                                                                                                

Ohne Worte – das ist der Titel einer neuen Artikel-Serie auf diesem Blog. Im Fokus stehen Journalistenfilme aus der Ära des Stummfilms. Zum Auftakt gehen wir so weit zurück wie nur möglich.

Text: Patrick Torma. Bildmaterial: Edison Films.

Als die Bilder laufen lernten: Die ersten Filme waren in erster Linie Technikdemonstrationen. Kurze Clips, die die Bewegungen des Alltags festhielten – galoppierende Pferde, vorbeiziehende Menschen, einfahrende Züge. Auch War correspondents aus der Schmiede des Kinetographen-Erfinders Thomas Alva Edison von 1898 fällt in diese Kategorie. Ein Dutzend Kriegsberichterstatter rennt eine Straße hinauf. Geradewegs auf die Kamera zu, auf dem Weg zum nächsten Telegraphen-Büro, von wo aus die Reporter ihre Nachrichten in die Welt senden. Es herrscht Gedränge, jeder will der Erste sein. Beobachtet werden sie von neugierigen Passanten. Im Vordergrund biegen sie schließlich in eine Seitenstraße ab, um aus dem  Bild zu verschwinden. Als Dreingabe zieht noch ein Einspänner im lockeren Trab vorbei. Nach 25 Sekunden blendet das Bild dann aus.

Unter filmhistorischen Gesichtspunkten ist War correspondents nicht mehr als Randnotiz. Die kurze Aufnahme ist allerdings insofern bemerkenswert, als dass es sich hierbei um die ersten (allgemein bekannten) Bewegtbilder einer Journalistenschar handelt. Dass diese im Jahr 1898 festgehalten werden, kommt nicht von ungefähr. Das Medium Film ist neu, und der spanisch-amerikanische einer der ersten Kriege, der (neben dem Burenkrieg in Südafrika 1899 bis 1902) in größerem Umfang durch Foto und Film visualisiert wird. Die 1890er sind die Blütejahre der Yellow Press, Zeitungsverleger nutzen die allgemeine Begeisterung für den Expansionskrieg – die Vereinigten Staaten wittern die Gelegenheit, den ökonomisch und militärisch geschwächten Spaniern Kolonien in unmittelbarer Nähe US-amerikanischer Hoheitsgebiete zu entreißen – um die Auflage in die Höhe zu treiben und ihren Einfluss geltend zu machen.

War correspondents schüren Anti-Stimmung

Allen voran geht der Medienmogul William Randolph Hearst (1863 – 1951), Vorbild und Inspiration für Orson Welles Film- und Journalistenklassiker Citizen Kane: Er  beeinflusst die Stimmung in den USA maßgeblich mit. Als im Februar 1898 das Schlachtschiff USS Maine vor der Küste Kubas explodiert und über 220 Menschen in den Tod reißt, schüren die Hearst-Medien eine Anti-Spanien-Stimmung. Sie verbreiten die These von einem spanischen Torpedo-Abschuss (spätere Untersuchungen tendieren zu einem Kessel- oder Schwelbrand, der auf die an Bord gelagerte Munition übergriff).

Die Headline Remember the Maine, to hell with Spain! geht in die Geschichte der medialen Kriegspropaganda ein. Auf das Rückkehrgesuch seines Korrespondenten Frederic Remington, der in Kuba keinerlei Anzeichen für einen Kriegsausbruch sieht, antwortet Hearst nur: „Please remain. You furnish the pictures and I’ll furnish the war“. In den Folgemonaten veröffentlichen seine Zeitungen (und die seines großen Konkurrenten Joseph Pulitzer) weitere Berichte über Konzentrationslager und andere Gräueltaten der Spanier auf Kuba. William Randolph Hearst jedenfalls steigert seine Auflagen durch Berichterstattung wie diese von zum Teil unter 100.000 auf über 1 Million Exemplare.

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Die spanischen Medien entsenden ihrerseits bis zu 200 Kriegsreporter zu den Kampfschauplätzen in der Karibik (Kuba und Puerto Rico) sowie im Pazifik (Guam und die Philippinen) und setzen damit ein Gegengewicht zur amerikanischen Berichterstattung. Einige Historiker bewerten den spanisch-amerikanischen Krieg aus diesen Gründen als den ersten richtigen Medienkrieg in der Geschichte. War correspondents ist ein zeitgenössisches Zeugnis, das das gesteigerte Interesse der Medien an den Kriegshandlungen konserviert und gleichzeitig den filmischen Grundstein für den Archetypus der heranstürmenden Pressemeute legt. Wann immer Reporter um die besten Plätze streiten, die War correspondents von 1898 waren zuerst da.

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